23.So. n. Trinitatis, 03.11.2024, Stadtkirche, Römer 13, 1 - 7, Jonas Marquardt

Predigt Kaiserswerth 23.n.Trin. -  3.XI.2024                                                                                                        

                    Römer 13, 1 – 7

Liebe Gemeinde!

Ein letztes Wort zuerst: „Es wird regiert!“

Wer das Zitat kennt, wird sich freuen; wem’s dagegen fremd ist, darf genauso froh sein. —

Über das Chaos und die Ordnung in der Welt, über die Gewalt - ihr Recht und ihre Begrenzung -, über das menschliche Miteinander in seiner Freiheit und Bindung, über das Tägliche, Vorläufige, Vorletzte in seiner jetzt nötigen und verpflichtenden Gestalt sollen wir heute also apostolisch gelenkt, biblisch begründet nachdenken: Über die Politik.

… „Das passiert in unsern Kirchen ja beinah immer“, mag man sagen. … „Und ist meistens ein erbärmlicher Schmarrn“, mag man sagen. Weil der blödsinnige Ausverkauf so total ist: Andauernd werden die Gabe und Aufgabe des Glaubens ins Politische gemünzt, aber umgekehrt wird der politische Auftrag fast nie zu treuer Pflege und großzügiger Ausbreitung des Schatzes unsres Glaubens wahrgenommen.

– „Wegen der Trennung von Staat und Religion“, erklärt man Letzteres.

– Schon Recht. … Aber wer Religion hat und politische Gestaltungsmöglichkeiten, kann doch nicht den religiösen Imperativ zwar politisch, den politischen dagegen aber nur nicht-religiös verwirklichen.

Wie also hältst Du’s mit der Politik, mit dem Staat, mit den Errungenschaften und der Verantwortung, die Dir die Gesellschaft und ihre Verfassung anbieten, lieber Christenmensch?

Das ist eine Frage voller Belang in einer Zeit, in der alle Strukturen des Gemeinwesens weltweit unfreiwillig auf dem Prüfstand, oft gar auf der Kippe stehen:

Demokratien erlöschen vor unseren Augen, weil zu wenige dafür brennen, nüchtern Verständigung und Ausgleich zu suchen, während leidenschaftlicher Eigennutz so triebhaft einfach wirkt. Gewaltlust und Gewaltherrschaft wälzen sich wie Lavaströme über vor Kurzem noch Alltäglichkeit vortäuschende Landschaften, und der Traum einer einigen Menschheit ist von vielen Seiten gesprengt worden gerade in dem Zeitalter, das allen miteinander ein riesige, gemeinschaftliche Rettungsaufgabe vorgibt.

Wir lassen die Ebene der Zivilisation hinter uns und vor uns türmt sich das Gebirge des wilden Hasses aller gegen alle, in dessen Schluchten der Abgrund der totalen Destruktion gähnt.

Und auch da, wo politische Spielräume und Geisteskräfte noch offene Bedingungen ergeben, lähmen die Nebeldämpfe und Gifte des Kleinmuts und Misstrauens die Wählenden und Handelnden. Die Agonie unserer eigenen Regierung ist eine Tragödie im Gewand einer Farce. —

Doch nun zur biblisch inspirierten Sicht auf die weltlichen Kräfte und Machtverhältnisse: Niemanden wird es wundern – weil die Bibel das Buch der Bücher, das eine Wort für alle an sich verschiedenen und zu unterscheidenden Weltwirklichkeiten ist –… niemanden also wird es wundern, dass es das denkbar breiteste Spektrum in den prophetischen und apostolischen Sichtweisen auf die verfassten Rechts- und Ordnungsformen der Völker, Nationen und Imperien gibt.

Es gibt die markanten Bedingungen und Ideale einer auf Ehrfurcht vor Gott, dem Anwalt, Beschützer und Rächer aller Angewiesenen beruhenden Lebensform, die in Israel zwischen einer charismatischen Basisdemokratie der Volkstribune bei den Richtern und der theokratischen Monarchie der guten Könige David, Hiskia (vgl. 1.Könige 18ff und bes. 2.Chronik 29ff) und Josia (vgl. 2.Könige 22f) pendelt. Und es gibt die nach dem Verlust der eigenen Staatlichkeit immer leidgeprüfter ausgeweitete Erfahrung der Bereitschaft sowohl zu Kooperation wie zu religiöser Selbstbehauptung gegenüber einer Fremdherrschaft. Ertragen von Verbannung oder Besatzung und Treue im Reservat des inneren Exils hat das Volk Gottes beide geübt.

Und der Messias Israels und seine Apostel haben sie uns - der Kirche - beide vorgelebt. Noch dazu dem gleichen Staatsgebilde gegenüber!

Jesus, der dem Kaiser bei der Frage nach der Steuer seinen Tribut ließ (vgl. im Sonntagsevangelium Matth.22,21), wusste dass er damit die Maschine ölte, in deren Machtmechanik ihm sein Todesurteil bestimmt war.

Die säkulare Weltreichs-Parodie auf das Reich Gottes hat er also nicht delegitimiert, … doch er starb - obwohl nach Roms Gesetzen - dennoch nicht wegen Roms Recht.

Dieses selbe Rom aber, in dessen Namen das eine zeitlose Unrecht geschah, das allen Zeiten jene Gerechtigkeit eröffnete, die vor Gott gilt - die Gerechtigkeit, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus (vgl. Rö.3,22) - dieses selbe Rom wird von den Aposteln auf zwei völlig verschiedene Weisen beurteilt:

Der einzige Apostel mit römischem Bürgerrecht, Paulus, der unter Nero als Angeklagter strikt nach römischer Rechtsordnung hingerichtet wurde, und Johannes, der Lieblingsjünger des Herrn, der unter dem tyrannischen Kaiser Domitian das Martyrium um Christi willen fand, könnten im Blick auf die Weltmacht gegensätzlicher nicht sein.

Für Johannes ist Rom die apokalyptische Anti-Zivilisation des himmlischen Jerusalem, … das bestialische Prinzip (vgl. Offenb.13), die Hure Babylon (vgl. Offenb.17). Die immanente Macht des alten Äon bedeutet für den Zeugen der Offenbarung der neuen Welt Gottes also reinen Schreck und Drohung.

Für Paulus dagegen, den Weltmissionar, der auf römischen Straßen wanderte und sich öffentlichkeitswirksam vor römischen Zivilbeamten (vgl. Apg.24f) verteidigte, ist das Verwaltungs- und Justizwesen des Imperium der Rahmen, in dem sich Sammlung und Sendung der christlichen Vielvölkergemeinde vollziehen können.

Zwei vollkommen verschiedene Bilder des global Politischen sind das: Als feindliches Prinzip der Kinder Gottes und ihrer Heimat oder als gestaltbar Gegebenes für ihren Auftrag unter den Menschen.

Weshalb es wichtig ist, dass wir dieses biblische Sowohl-als-auch vor Augen haben – das keinen Widerspruch, sondern eine Ausstattung für Sommer und Winter, eine Ausrüstung für die Wechselfälle der Weltgeschichte bedeutet – … weshalb es also wichtig ist, uns zu erinnern, dass nicht nur die johanneische Kraft der Gegenwelt und auch nicht allein die pauli-nische Dynamik der Weltgestaltung schriftgemäß sind? – Um dem notwendigerweise immer bloß ideologischen Standpunkt vorzubeugen, dass es dogmatisch nur einen, „wahren“ christlichen Ansatz in politischen Streitfragen und Lösungsversuchen geben könne.

Neben der berühmten, im Protestantismus viel zu lange exklusiv herrschenden Obrigkeitslehre von Römer 13 gibt es eben auch die Widerstands- und Verweigerungstraditionen der Märtyrer und der Nonkonformisten im Geist, im Gewissen und im Glauben. ——

Jetzt endlich aber zu der Stelle, die so tief bei uns gewirkt hat, dass sich die reformatorische Kirche im lutherischen Bereich überall unter das sog. „weltliche Schwert“ Gottes beugte, das sie in den Feudal- und Landesherren am Werk sah. Sie machte sich darum konsequent und unterwürfig abhängig von den Kurfürsten, den Landgrafen und später den Königen, denen das „Summepiskopat“, das landesherrliche Kirchenregiment zukam.

Der Wahnsinn dieser Verwechslung von Macht und Recht hat zu absurden Irrungen geführt: Mein eigener Urgroßvater etwa, bolleriger und gewiss auch bornierter pommer’scher Pfarrer, ließ seine nach 1918 volljährigen Söhne gegen die familiäre Tradition nicht mehr Theologie studieren, weil in der Republik ja eine führungslose Kirche entstanden war, die ohne kaiserliches Haupt keine gültige Verfassung mehr haben konnte!??? …

Dass nun allerdings Paulus gesagt haben sollte, nur die weltliche Obrigkeit, als Gottes Dienerin könne bis in die Kirche hinein für Ordnung sorgen, das steht wahrhaftig nicht im 13. Kapitel des Römerbriefes. Von zwei einander bedingenden Regimenten oder Regierungsweisen Gottes, von den später so genannten beiden Reichen einer strafenden äußerlichen Gewalt - dem Staat - und einer gnädigen innerlichen Seelenführung - durch die Kirche - ist hier nicht die Rede[i].

Sondern vom herrlich mutigen, ja übermütigen Vertrauen dessen, der alleine in der Kraft des Heiligen Geistes die weltweite Anerkennung eines von der römischen Justiz zum Tode Verurteilten als Richters und Retters der gesamten Menschheit anstieß.

Dass ausgerechnet Paulus, der sich mit seiner Predigt gegen das Urteil der Weltmacht stellte, in dieser Macht nichtsdestotrotz die schützende, ordnende, friedenstiftende Funktion erkannte und guthieß, … dass er in den weltlichen Strukturen des Staates eine Kraft sah, die der Freiheit seines Gewissens und der Aktivität seiner Begeisterung einen Rahmen eröffnete und der Verkündigung von Jesus Christus über Grenzen der Sprachen und Sitten hinweg geradezu einen Weg bahnte, … dass Paulus also im Raum und in den Regeln des Politischen die Gelegenheit erkannte, die nur so für das Werk, das alle Menschen betrifft, gegeben sind: Das ist ein bleibender Maßstab.

Paulus hat damit nicht den Grundsatz vertreten, dass alles, was die weltliche Instanz anordnet, wie göttlicher Befehl befolgt werden müsse, sondern dass die Tatsache solcher weltlichen Instanzen der planenden Zulassung, dem Ordnungswillen Gottes entspricht:

Dass es in der Welt nicht nur wild entfesselte, sondern zweckgebundene Gewalt, … dass es im Miteinander nicht nur anarchische Willkür, sondern verfasste Mandate[ii] gibt, … dass Menschen nicht zügellos, sondern in prüfungs- und dann auch bewertungs- und schließlich auch sanktionsfähiger Rechenschaftspflicht existieren, das ist ein im Willen Gottes begründeter und begünstigter Zustand, zu dessen Erhaltung und Einhaltung Paulus seine Gemeinde ermahnt.

Im gegenwärtigen katastrophalen Schwinden dieser Erkenntnis wird sein Aufruf zur Mitwirkung an dem, was die säkulare Regierungsgewalt gewährleisten kann, geradezu dringlich. Wenn wir uns die Verachtung für das Gemeinwesen, die schamlose Vermeidung von Steuer- und Solidaritätspflichten, die immer brutalere Respektlosigkeit gegenüber Ordnungs-, Hilfs- und Rettungskräften, die immer unverhohlenere Infragestellung aller Autoritäten und allen Rechtes vor Augen führen, dann wird aus dem Grundsatz, jedermann solle sich in die Bedingungen unter gegebener Obrigkeit einordnen, kein staatsfrommer Befehl zum Kuschen, sondern ein zeitgemäßes Ethos, ein Rückruf zur Ordnung und zu konstruktiver Kooperation.

Umgekehrt lehrt uns die verantwortungsscheue und entscheidungsschwache Regierungsführung, die wir angesichts der beklemmend großen und gigantisch komplexen Kriegs- und Klimanotstände in der Politik der liberalen Demokratien erleben, tatsächlich noch eine ganz andere Seite des paulinischen Obrigkeitsethos: Es gilt nicht nur, zur christlichen Kooperation mit denen aufzurufen, die das menschliche Miteinander vor Zerfall und Anarchie schützen sollen, sondern wo der Auftrag dazu besteht, da muss er tatsächlich auch ausgeübt werden! … Schmerzhaft und unpopulär bis zur Erfahrung, ja sogar bis zur Notwendigkeit, dass das Walten der Macht als Schranke und als Strafe wirkt, muss regiert werden. Sonst schwemmt der furchtbare Strom der losgelassenen Zerstörungskräfte, wo ihm nicht hart gewehrt und klar gegengesteuert wird, die Ordnung und mit ihr das Recht davon: Wir brauchen regierende Regierungen und an deren Verantwortung mitwirkende, in deren Gestaltungsrahmen sich einordnende Bürger. … Nicht weil Staat und Politik eigengesetzliche Selbstzwecke wären. Sondern weil der gesamte Sinnzusammenhang des Obrigkeitskapitels Römer 13 gerade nicht in ihm selbst zu finden ist, da die Kapitelabgrenzung ja spätere, nicht immer sinnvolle Einteilungen abbildet.

Der Leitsatz des so positiven, mutigen und ermutigenden Blickes, mit dem Paulus diejenige Ordnung würdigt, die ihn zwar das Leben kosten, aber gleichzeitig unfreiwillig dennoch dem Evangelium und der Kirche die Zukunft eröffnen wird, … der Leitsatz der politischen Theologie des Apostels ist der letzte Vers von Kapitel 12, in Wahrheit der Obersatz alles dessen, was folgt: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“                               

Dem Guten zur Durchsetzung zu verhelfen, dem Evangelium und mit ihm der Liebe Gottes und Seiner Gerechtigkeit Wege in die Welt zu bahnen: Das ist der Zweck, zu dem – wie wir mit dem Barmer Bekenntnis heute bekräftigt haben (vgl. Barmen 5 [EG 858, S.1379]) – Gott „in der noch nicht erlösten Welt“ den Staat und die Politik ihr Amt ausüben lässt.

Und es ist Grund und Anlass, dass wir in konstruktiver, wenngleich unabhängiger Weise den Anordnungen der Verantwortlichen, die dem Wohl der Menschengemeinschaft dienen, als christliche Gemeinde unsere Unterstützung, unsere tätige und geistige und nicht zuletzt unsere geistliche Kooperation schulden.

Im kleinen, aber unerschütterlich treuen Gebetskreis, den wir hier an der Stadtkirche haben, ist ein großer Beter, der - weil er selbst im öffentlichen Dienst bei der Polizei gestanden hat - so vollmächtig und kraftvoll bei Gott eintritt für alle Ämter und Einrichtungen, für alle berufenen und alle ehrenamtlichen Einsatzkräfte, die unserer Gesellschaft dienen, dass ich fest davon überzeugt bin, hier geschieht mehr politisch Sinnvolles als an vielen quasselnden, rhetorisch lautstarken, praktisch aber unverbindlichen und unnützen Stellen des säkularen Betriebs.

Aber auch wenn wir nur still beten für die Anliegen unserer Mitmenschen, … für die natürliche und die soziale Ordnung auf dieser Erde, … für die schicksalhaften Wahlen in Amerika, … für die Leidtragenden in Gaza, Israel und Libanon, … für den Frieden in der Ukraine, … für die verfolgten Christen in aller Herren Länder und für die freie Ausbreitung des Evangeliums, so ist das unser stärkster und nachhaltigster, unser entscheidendster und weltbewegender Beitrag zur Politik dieses Zeitalters!

Denn das letzte Wort lautet ja: „Es wird regiert!“[iii]

Mit diesem kindlichen Bekenntnis eines hochpolitischen Glaubens hat der greise Karl Barth am Vorabend seines Todes sich von seinem Freund Eduard Thurneysen verabschiedet.

Er hatte politisch eigensinnig, zwischen Widerstand und Versöhnung konstruktiv ein Leben lang der Herrschaft Gottes in der Christengemeinde und im ganz weltlichen Rahmen des Menschengeschlechts zu dienen versucht[iv].

Aber er wusste dennoch und zuletzt, dass die zählenden Taten, … die Wendungen, die notwendig sind, … die Pläne, die nicht aufzuhalten sein werden und die Entscheidungen, die bleiben, weil sie Heilsgedanken des Friedens, der Hoffnung und der Zukunft verwirk-lichen (vgl. Jer.29,11), von Gott stammen.

Er ist es, Der regiert!

Darum sei auch Ihm - dem König aller Könige und Herrn aller Herren, der allein gewaltig ist und unsterblich – allein Ehre und ewige Macht (vgl. 1.Tim.6,15f)[v]!  

Amen.   

 

[i] Nach wie vor erhellend und kritisch zugleich im Blick auf dieses Zentralmotiv der lutherischen Lehre in politicis ist: Ulrich Duchrow, Christenheit und Weltverantwortung - Traditionsgeschichte und systematische Struktur der Zweireichelehre, Stuttgart 19832.

[ii] Dieser Begriff hat eine – vielfach problematisierte, aber dennoch weiterhin erschließende – Funktion in der Ethik Dietrich Bonhoeffers; „Unter »Mandat« verstehen wir den konkreten, in der Christusoffenbarung begründeten und durch die Schrift bezeugten göttlichen Auftrag, die Ermächtigung und Legitimierung zur Ausrichtung eines bestimmten göttlichen Gebotes, die Verleihung göttlicher Autorität an eine irdische Instanz. Unter Mandat ist zugleich die Inanspruchnahme, die Beschlagnahmung und Gestaltung eines bestimmten irdischen Bereiches durch das göttliche Gebot zu verstehen. Der Träger des Mandats handelt in Stellvertretung, als Platzhalter des Auftraggebers. Recht verstanden wäre auch der Begriff der »Ordnung« hier verwendbar, nur daß ihm die Gefahr innewohnt, den Blick stärker auf das Zuständliche der Ordnung als auf die die Ordnung allein begründende göttliche Ermächtigung, Legitimierung Autorisierung zu richten, woraus dann allzu leicht die göttliche Sanktionierung aller überhaupt existierenden Ordnungen und damit ein romantischer Konservatismus folgt, der mit der christlichen Lehre von der 4 göttlichen Mandaten nichts mehr zu tun hat“ (D.Bonhoeffer, Abschnitt: Das konkrete Gebot und die göttlichen Mandate, in: ders., Ethik, hgg. v. I. und H.E. Tödt u.a. [DBW Bd. 6], München 1992,S.392f.)  Die vier von Bonhoeffer erkannten und ausgelegten Mandate Gottes in der Welt sind Arbeit/Kultur, Ehe, Obrigkeit und Kirche.      

[iii] Eberhard Busch weist zurecht daraufhin, dass dieser Satz, der gemeinhin als Barths letzter Ausspruch gewürdigt wird, ein Zitat von Christophe Blumhardt darstellt, vgl. Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten, München 1986, S. 515.

[iv] Ohne Barths maßgeblichen und sein Lebenswerk charakterisierenden Gegenentwurf zur lutherischen Zweireichelehre auch nur im Umriss skizzieren zu können, sei doch verwiesen auf die leicht zugängliche Sammlung zweier seiner Grundtexte dazu: Karl Barth, Rechtfertigung und Recht (ursprüngl. 1938) + Christengemeinde und Bürgergemeinde (ursprüngl. 1946) , erschienen als: Theologische Studien, Bd.104, Zürich 19894. Dort heißt es: „Wo Bürgergemeinde, wo Staat ist, da haben wir es (…) nicht etwa mit einem Produkt der Sünde, sondern mit einer der Konstanten der göttlichen Vorsehung und Weltregierung in ihrer zugunsten der Menschen stattfindenden Gegenwirkung gegen die menschliche Sünde und also mit einem Instrument der göttlichen Gnade zu tun. Die Bürgergemeinde hat mit der Christengemeinde sowohl den Ursprung als auch das Zentrum gemeinsam. Sie ist Ordnung der göttlichen Gnade, sofern diese (…) immer auch Geduld ist. Sie ist das Zeichen dafür, daß auch die noch (oder schon wieder) der Sünde und also dem Zorn verfallene Menschheit in ihrer ganzen Unwissenheit und Lichtlosigkeit von Gott nicht verlassen, sondern bewahrt und gehalten ist. Sie dient ja dazu, den Menschen vor dem Einbruch des Chaos zu schützen und also ihm Zeit zu geben: Zeit für die Verkündigung des Evangeliums, Zeit zur Buße, Zeit zum Glauben. …… Sie (scil. die Bürgergemeinde / der Staat) hat also keine vom Reich Jesu Christi abstrahierte, eigengesetzlich begründete und sich auswirkende Existenz, sondern sie ist – außerhalb der Kirche, aber nicht außerhalb des Herrschaftskreises Jesu Christi – ein Exponent dieses seines Reiches. Sie gehört eben nach neutestamentlicher Erkenntnis zu den »Gewalten«, die in ihm geschaffen und durch ihn zusammengehalten sind (Kol.1,16f) (…). Gottesdienst ist also nach dem ausdrücklichen Apostelwort (Röm.13,4.6) auch das Handeln des Staates“ (aaO, S.54f). Diese christozentrische Sicht auf das Weltliche in seiner Christus untergeordneten Struktur und gerade als weltlicher darum auch autonomen Wirklichkeit ist und bleibt fundamental verschieden von der Sakralisierung des Staatlichen, wie sie etwa im byzantinischen Cäsaropapismus eine so unselige Geschichte und nun eine himmelschreiend perverse Gegenwart in der kyrill’schen After-Kirche in Putins Russland hat.   

[v] Dies der Wochenspruch und das erkenntnisleitende Prinzip des gesamten Gottesdienstes am 23.Sonntag nach Trinitatis.

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