3.So. n. Epiphanias, 26.01.2025, Stadtkirche, Matthäus 8, 5 - 13, Jonas Marquardt

Predigt Kaiserswerth 3.So.n.Epiphan. - 26.I.2025                                                                                                

                  Matthäus 8, 5 - 13

Liebe Gemeinde!

Ob er ein kommandierender Haudegen war – aus langen Generationen Offiziersmaterial geformt, wie in der römischen und vielen Armeen üblich –, … ob’s sich bei ihm also um so einen zackigen Typen handelte, dessen ganzer Horizont Kasernenhof und dessen ganzer Stolz soldatischer Gehorsam im Erteilen und Befolgen von Befehlen war? …

Oder ob er selber ein der Not gehorchender Söldner, ein Fremder war, der irgendwie leben musste und der da am Rand der römischen Provinz Heimweh nach irgendwo hatte und sich hundeelend einsam fühlte und in seinem Unglück nach Trost sogar im Glauben der sonderbaren jüdischen Eingeborenen suchte? …

Wir werden es nie wissen.

Aber so oder so war er einer von uns: In seinem Gesicht und in seiner Geschichte hat Jesus - der Stellvertreter aller Menschen - stellvertretend die Menschheit jenseits von Israel wahrgenommen. Aus den Augen des Hauptmanns von Kapernaum blickte Jesus das Heidentum an. Aus dem Mund des aufgewühlten Besatzungssoldaten sprach ihn die Welt der Völker an. In der Angst und in der Traurigkeit des sonst so disziplinierten Uniformträgers, dessen ganze Haltung an Krankheit und Sterben einfach scheiterte und ihn hilflos machte wie ein kleines Kind, da begegnete Jesus dem Menschenlos schlechthin.

Und es war eine Segensstunde und ist eine Segensstunde bis heute.

Dass der Messias Israels, der wahrhaftig vom Vorzug Israels wusste – er hat dem sog. „kanaanäischen Weib“, einer Phönizierin von der Küste ja einmal entgegengehalten, dass sie nicht zu den Kindern des Hauses, sondern zu den Kötern und Kanaillen gehöre (vgl. Matth.15,26) – … dass der Messias Israels sowohl bei dem Centurio von Kapernaum als auch bei der phönizischen Frau dann trotz aller Unterschiede zwischen dem ursprünglichen Bund Gottes mit Seinem Volk und der Erweiterung zum Umfang aller Menschen sich anrufen und bewegen ließ, das ist der Anfang aller Rettung!

Jesus ist ansprechbar. Jesus ist beweglich … an Herz und Geist und allen Gliedern!

Wer das weiß, kann hoffen.

Und wer auf den erreichbaren Jesus hoffen kann, dessen Vertrauen hat Grund.

Und wer in solchem begründetem Vertrauen lebt - wir nennen das „im Glauben leben“ -, der kann tun, was der römische Hauptmann tat.

… Wobei die Frage nach dem, was er tat, ja noch einmal entscheidend ist!

Bei uns hat sich eingebürgert, im Glauben v.a. eine „Haltung“ zu sehen. Glauben ist nach diesem Verständnis ein innerer Zustand, ein Beruhigt-Sein, eine stabile Fassung des Gemüts. Das haben wir aus dem herrlichen Merkvers des Hebräerbriefs (11,1), dass „Glauben eine feste Zuversicht ist auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht“. Doch als Beispiele dafür zählt der Hebräerbrief alsbald nicht etwa irgendwelche unbeirrbaren Helden der Standhaftigkeit in ihren Überzeugungen auf, sondern Abel, den Start-up-Erfinder des Ackerbaus, … Noah, den Handwerker und Organisator in der Katastrophe, … Abraham, den unverdrossenen Migranten, Nomaden und Pfadfinder Gottes, … Moses, den Strategen von Exodus und Völkerwanderung, … schließlich auch die Hure Rahab, die in Jericho als Partisanin und fremde Pionierin die Landnahme Israels ermöglichte …….: Lauter ungeheuer findige, umtriebige, dynamische Menschen, denen der Glaube an Gott in Hände und Füße fuhr, … denen der Glaube an Gott Mut und Beine machte, … denen der Glaube an Gott Taten der Tapferkeit und menschliche Mühen ermöglichte.

Glaube und Tat sind also – gegen das gewohnheitsmäßige und bequeme protestantische Trennen zwischen ihnen – keine unterschiedenen, gar gegensätzlichen menschlichen Erwiderungen auf das Wunder und die Wirklichkeit Gottes, sondern sie sind das Feuer und die Wärme, die Quelle und der frisch aus ihr sprudelnde Trunk, … Glaube und Tat sind wie die Speise, die zur Kraft wird, wie das Ein- und Ausatmen, das das Leben bedeutet.

Und darum ist der Glaube des römischen Strammstehers und Parademarschierers eben nicht durch seine unbeholfene militärische Vorstellungswelt so eindrucksvoll für Jesus – … diese Idee, dass da jemand nur kräftig das Richtige brüllen muss und alles dann in Reih und Glied „zu Befehl“ ist – sondern durch das, was sein rudimentärer, unklarer Glaube den Mann aus der Besatzungsmacht machen lässt: Er macht ihn zu seines Bruder Hüter, zum Helfer seines Knechtes, zum Hoffenden und Flehenden in fremder Sache. Da kommt ein Befehlshaber und bettelt. Ein Mensch der Macht kommt an seine Grenzen und wird bescheiden. Ein harter Hund wird windelweich, weil er nur noch winseln kann. … Und das alles nicht für sich. Nicht zu seinen eigenen Gunsten. … Sondern um das Leben eines Untergebenen, …. die Zukunft eines anderen. …

Es ist in der Begegnung zwischen Jesus und dem Römerhauptmann also vorgezeichnet, was wir letzte Woche als das Muster aller christliche Ethik nachzeichneten: Glauben heißt Absteigen und einen Pfad zu wählen, der uns von irgendwelchen Rängen und Höhen herniederführt, weil er menschwärts weist.

Der Militär, der Jesus durch seine vertrauensvolle Hilfsbedürftigkeit so ergriffen hat, ist also in einer Mission der Verantwortung für seinen Mitmenschen zu Jesu Füßen gelandet.

Wenn wir diese Grundtat und Grundbewegung des Glaubens in einem heidnischen Geist und Herzen begreifen, dann dämmert uns auch, wieso Jesus so getroffen und so erfüllt war durch seine Konfrontation von Angesicht zu Angesicht mit diesem Vertreter der herrschenden Weltmacht: Ein Besatzer, der einem Besetzten nicht nach Art des Herrenmenschen, sondern in radikaler Demut und radikaler Solidarität mit einem Leidenden gegenübertritt! Was für ein Zeichen, dass es unter den nichtjüdischen Kulturen eben nicht zwangsläufig so zugehen muss, wie Jesus es später als eine Grunderfahrung schildern würde, als er zu den ehrgeizigen Donnersöhnen Jakobus und Johannes und den andern Jüngern sprach (Matth.20,25): „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch, …“

Vielleicht hat er damals an den alten Kameraden aus Kapernaum gedacht, der vor ihm in die Knie ging und in seiner Angst um den sterbenden Stiefelknecht oder Sklaven in seinem Haus zu dem heiligen Zimmermann aus Nazareth tatsächlich sagte: „Ich bin nicht wert, dass du eingehst unter mein Dach …….“

Und angesichts dieser Demut, angesichts dieses Verzichts auf jedes Recht – das Befehlsrecht, das Hausrecht, das schöne Recht des Gastgebers – … angesichts dieser vollkommenen Selbstentäußerung eines „Hekatonarchos“, wie Matthäus griechisch korrekt festhält, eines Centurio - Hundertschaftführers - also geht Jesus das Herz im Reich-Gottes-Maßstab auf: So müssen die Kinder des Reiches sein! Selbstvergessen. Schmerzlos ihren Ansprüchen und Ehren entsagend. Ihr einziger Titel ihre Nächstenliebe. Ihr einziger Wunsch die Notlinderung für ihre Geschwister und Nächsten und Fernsten. Ihr einziges Ziel die Rettung des anderen.

So müssen die Kinder des Reiches sein: Menschen, die sich nicht selbst in der Rolle als Gast oder Gastgeber gefallen, sondern die sich bloß als Boten sehen, als Weg und Tür für das Heil, das Dritten bereitet sein soll.

Solche Menschen der Fürsorge und des Für-Seins: Die sind es, die dabei sein sollen, wo das ewige Hochzeitsmahl der Fürsorge und der Liebe für einander gefeiert wird … dort, wo Abraham und Isaak und Jakob – die reine Kundschafter und Wegbereiter und Türsteher für das jeweils kommende Geschlecht und also für die Fortsetzung und schließlich für die Zukunft der ganzen Menschheit im Sand-am-Meer-und-Sterne-am-Himmel-Maßstab waren –  … dort, wo Abraham und Isaak und Jakob also zusammen mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist das Fest der alle verknüpfenden Einheit in Liebe begehen und wo vom Aufgang im Osten bis zum Untergang der Sonne im Westen alle Menschen von Anbeginn der Zeit bis zu ihrem Ziel, die sich nicht alleine, sondern als Gemeinschaft erkannten und bejahten und bewährten, die Vollendung finden sollen!

… So!

… Dort! ——

Wir merken also unversehens, wie wohl die Kirche getan hat, als sie die bescheidene, völlig ernste Selbstrelativierung des Hauptmanns von Kapernaum – „Herr ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort … “ – als die richtige Selbstbesinnung aller, die das Freudenmahl schon hier auf Erden feiern dürfen, vor die Kommunion setzte: So in jeder katholischen Messe bis heute zu erleben.

Diese Demut, die von der ganzen plumpen und brutalen Großkotzigkeit des menschlich-weltlichen Selbstbewusstseins abweicht, hat die Verheißung eucharistischer, also: dankender Ewigkeit in sich.

Und der römische Gardist hat Jesus damit hingerissen zum Einreißen und Einschmelzen aller Zäune und Barrieren, aller Mauern und Trennungen zwischen Israel und den Völkern.

 … So sehr hingerissen, dass er alle Erwählungssicherheit der Seinen kurzerhand sprengte und zerfetzte: „Die Kinder des Reichs werden – im Vergleich zu solchen anspruchslos liebenden Heiden – ausgestoßen in die Finsternis hinaus …“

… Doch denken wir daran: Jesus verabscheute nicht nur sadduzäische Arroganz und pharisäischen Übereifer – den Pharisäern war er selber in allem Wichtigen ja zuzurechnen –, sondern er kämpfte schon bei den Zwölfen gegen die verblendete Verbissenheit, besser, treuer, frömmer als die anderen sein zu wollen. Der exklusive Anspruch, dass man selbst, aber niemand sonst Jesus nahestehe und dass man darum allein man selber Seine Nähe verdiene und alle andern deren Gegenteil, der ist also verdammt am Anfang dagewesen.

Wie die Menschheit es ja verdammt oft schafft, einen Sündenfall als Ausgangspunkt und nicht etwa als das Ergebnis ihrer großen Vorhaben zu begehen.

Verdammt bald hat daher die Gemeinschaft Jesu - die Kirche und das Christentum - dem heidnischen Hauptmann von Kapernaum die Gefolgschaft aufgekündigt: Nur ich bin würdig, dass Er unter mein Dach geht ….!“ – Nur ich! – Nicht Du! – Nicht Ihr! – Nicht die! …….

Und so stehen wir vorm Spiegel. Aus dem nicht der brave Hauptmann von Kapernaum mit seiner biederen und bedingungslosen, soldatentreuen Anhänglichkeit an den krepierenden Mitmenschen schaut, sondern die Fratze des christlichen Abendlandes und des aufgeklärten, eiskalt egoistischen Westens.

Im Oktober vor 80 Jahren hat unsere Evangelische Kirche bei der ersten armen, Hunger- und Schandensynode von Stuttgart auf das geblickt, was ausgerechnet die Sowjetarmee morgen vor 80 Jahren beenden musste und hat angesichts des Grauens von Auschwitz und der radikalen und beinah totalen Schuld der getauften Mehrheit in Deutschland Worte gefunden, die schwach, aber wahr sind: „Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“[i]

… Wohl wahr! … Wie wahr! … Wie wahr auch jetzt! … ———

Und der alte Hauptmann mit seiner großen Liebe guckt uns tief in die Augen; … und man meint den Walross-Bart und den triefigen Blick so eines Veteranen zu sehen …und da schämt man sich.

Und dann steht der wieder gesund gewordene Knecht, für den der Legionär gebettelt hatte, da und sieht, wie wir in der christlichen Welt wegen all’ des Furchtbaren, das an Kindergartenkindern und Unschuldigen jeder Beschreibung geschieht, selbst Furchtbares, Herzloses, Hoffnungsloses tun wollen: „Weg mit ihnen allen nach Osten und Westen! Weg mit all’ den anderen, … weg nach Norden und nach Süden. Weg, damit wir das Reich und die Ruhe alleine haben!! … Und man schämt sich. …

Und dann steht neben dem ollen Haudegen aus Kapernaum und dem armen Deibel, um dessentwillen er den Herrn Jesus zum Überspringen aller Grenzen und zum heilenden Erbarmen mit allen Völkern gebracht hat, auch noch eine ziemlich blasse, eher unauffällige Bischöfin aus Washington, von der ein Late-night-Komiker (Jimmy Kimmel) diese Woche fragte: „Was ist der auch bloß eingefallen, dass sie einfach die Lehre Jesu in einer Kathedrale glaubte anbringen zu dürfen …?“

Und diese Bischöfin – the Rt. Rev. Mariann Edgar Budde – sagt nicht nur einem Macht-menschen vom allermächtigsten und allerunmenschlichsten Schlag, sondern uns Menschen-kinder mit unserer Macht und deren Möchtegern-Maßstab das ganz Einfache:

„Unser Gott lehrt uns, dass wir barmherzig gegenüber dem Fremden sein sollen, denn wir alle waren einst Fremde (in diesem Land).

Möge Gott uns die Kraft und den Mut geben, die Würde jedes Menschen zu ehren, die Wahrheit zueinander in Liebe zu sprechen und demütig miteinander und mit unserem Gott zu gehen – zum Wohl aller Menschen in dieser Nation und in der Welt.“[ii]

Und so stehen wir da: Ein Gast auf Erden wie der Hauptmann von Kapernaum und wie sein Knecht und wie Abraham und Isaak und Jakob und alle Heiligen und alle Sünder und alle Christen und alle Juden und alle Heiden überall und immer.

Da stehen wir vor Dem, Der die Barmherzigkeit gegenüber allen, allen, allen ist und werden ganz still. …….

Und können nur das eucharistische Wort sprechen, in dessen Schuldbekenntnis und Demut uns doch die Ewigkeit aufleuchtet, die nur aus Jesu unverdienter Gnade stammt:

„Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach …

Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!“

Amen.

 

[i] Zitiert aus Im Zeichen der Schuld: 40 Jahre Stuttgarter Schuldbekenntnis – Eine Dokumentation, hgg. v. Martin Greschat m.e. Geleitwort von Wolfgang Huber, Neukirchen-Vluyn, 1985, S.45.

[ii] Deutsche Fassung abrufbar unter: https://chrismon.de/artikel/56499/eine-bischoefin-redet-us-praesident-donald-trump-ins-gewissen?er=www.evangelisch.de

Der Wortlaut im Original mit anschließender Erläuterung:

Transcript Of Rev. Budde’s Plea To Trump

“Let me make one final plea, Mr. President. Millions have put their trust in you and, as you told the nation yesterday, you have felt the providential hand of a loving God. In the name of our God, I ask you to have mercy upon the people in our country who are scared now. There are gay, lesbian and transgender children in Democratic, Republican, and Independent families, some who fear for their lives. The people who pick our crops and clean our office buildings; who labor in poultry farms and meat packing plants; who wash the dishes after we eat in restaurants and work the night shifts in hospitals. They…may not be citizens or have the proper documentation. But the vast majority of immigrants are not criminals. They pay taxes and are good neighbors. They are faithful members of our churches and mosques, synagogues, gurudwaras and temples. I ask you to have mercy, Mr. President, on those in our communities whose children fear that their parents will be taken away. And that you help those who are fleeing war zones and persecution in their own lands to find compassion and welcome here. Our God teaches us that we are to be merciful to the stranger, for we were all once strangers in this land. May God grant us the strength and courage to honor the dignity of every human being, to speak the truth to one another in love and walk humbly with each other and our God for the good of all people. Good of all people in this nation and the world. Amen”

Crucial Quote

After the sermon, Budde told the New York Times that she “wasn’t necessarily calling the president out,” but rather making a plea “because of the fear” she has seen among immigrants and LGBTQ+ communities. Budde said she wants Trump to be “mindful of the people who are scared,” and added “I was trying to say: The country has been entrusted to you…And one of the qualities of a leader is mercy.”

Abgerufen unter https://www.forbes.com/sites/siladityaray/2025/01/22/what-did-the-bishop-say-to-trump-during-prayer-service-heres-the-full-transcript/

 

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