Tag der Darstellung des Herrn, 02.02.2025, Stadtkirche, Johannes 8,12, Jonas Marquardt

Predigt Kaiserswerth Tag der Darstellung des Herrn – 2.II.2025                                                                         

                          Lukas 2,22 -35 / Johannes 8,12

Liebe Gemeinde!

Vierzig Tage: Später wird Er so lange fasten. In der Wüste. Vom Teufel aufgespürt und angesprochen.

Vierzig Tage: Später wird Er so lange noch einmal bei ihnen sein, nachdem der Tod durch Menschenhand Ihn zerstört und Gott Ihn und die Menschen nicht dem Tod überlassen hat.

Vierzig Tage: Seine ersten vierzig waren es jetzt. Was die bedeuten, kann man gar nicht sagen … außer dass Er noch lebt, was bei einem Säugling, der unterwegs in einer Höhle zu Bethlehem auf die Welt kam, alles andere als selbstverständlich ist … zumal der Tod durch Menschenhand Ihm sehr bald nachstellen wird: … Herodes hat den Tod schon beschlossen. Die ausländischen Hellseher sind wieder in Richtung des Sonnenaufgangs heimgezogen. Die Truppen der Kindermörder ziehen sich zusammen. Nacht wird’s wieder über Bethlehem. Aber nicht die heilige, sondern die bittere des Mordes und des Klagens. … Ach, Rahel (vgl. Matth.2,17 / Jer.31,15)!
Vierzig Tage seit Weihnachten … und schon wieder das alte Lied des Heulens um die Unschuldigen.

Und das Kind, durch das allem Volk Freude widerfahren und Friede auf Erden werden soll und den Menschen ein Wohlgefallen verheißen ist (vgl. Lk.2,14), … dieses Kind ist erst vierzig Tage alt und wird durch die Strapazen seiner jungen Mutter und das Elend seines ersten Erdenmonats unterernährt und schwächlich sein und hilflos und im Vergleich zum mickrigen Geburtsgewicht kaum zugenommen haben.

– Was für eine glanzlose Mündung der kerzenhellen, hoffnungsschimmernden Weihnachtszeit ins schlammige Delta der weltgeschichtlichen Brutalität und Banalität! ——

Und doch hat die Kirche ein Lichterfest ans Ende der Weihnachtsvierzig gesetzt, wenn in anderen Jahren schon die Fastenvierzig anfangen: Genau auf den Tag, an dem Jesus nach biblischem Recht als Erstgeborener im Tempel ausgelöst wurde (vgl. 2.Mose13,13) und Maria vom physisch kritischen Ausnahmezustand der Wöchnerin wieder in die als Reinheit erfahrene Normalität außerhalb der akuten Lebensgefahr für Mutter und Kind eintrat (vgl. 3.Mose12).

… Ein Lichterfest also, weil ein Säugling die Kindersterblichkeit des Anfangs und eine blutjunge Mutter das Drama des Gebärens und der ersten Stillzeit überstanden haben?

… Nein. Noch schlichter. Und tiefer.

Es ist ein Lichterfest geworden, in dem der Weihnachtsglanz mit dem Grau allen Alltags verschmilzt, weil zwei hochbetagte Menschen – Menschen, die keine eigene Zukunft mehr hier, in der Zeit haben – die Mutter und das Kind erwarteten und weil der greise Simeon dabei den Lobgesang der Sterblichen, aller Sterblichen im Grau und Dunkel dieser Welt anstimmte: „Dieses Kind ist das Licht, das alle Völker erleuchtet und Israel in ihrer Mitte“.

Ein Lichterfest ist diese Darstellung des kleinen Jesus im großen Haus Gottes, das noch knapp eine Generation lang stehen wird, ehe die Römer es in Schutt und Asche legen, … ein Lichterfest ist diese Begegnung zwischen der verlöschenden Generation der Uralten und dem aufflackernden Leben des Frischgeborenen, weil das eben das ganze Geheimnis und die ganze Offenbarung Christi ist: Er, der Sohn Gottes ist in die Wirklichkeit gekommen!

Und umgekehrt auch: Hier, in diese Wirklichkeit aus Grau und Grauen, hier in diese Wirklichkeit aus Hoffnung und Tod ist wahrhaftig der Sohn Gottes gekommen!

Das mag uns erst einmal bescheiden vorkommen.

Weihnachten - zumal wie wir es feiern - hatte uns vielleicht größere, glitzerndere Entwicklungen annehmen lassen. Und nun, nach vierzig Tagen, wenn wir den Schmuck nicht mehr sehen können und der Baum nur noch kahl erscheint und selbst der Stern verblasst wirkt, ist kein schöner Szenenwechsel wie auf den barocken Bühnen eingetreten. Da schiebt man einfach die öde Kulisse der Wildnis, in der der Held oder die Heldin der Oper gefangen oder verirrt waren, beiseite, kurbelt an den Winden, lässt eine bunt bemalte Hintergrundleinwand herab und voilà!, die heitere Schäferlandschaft, in der alles sich verwandelt, alles wieder gut wird und das Drama sich auflöst, ist mühelos und täuschend echt erschienen: Finale mit Schlusschor.

Während bei uns im Drama des Kirchenjahres, im Drama des Glaubens das Schäferspiel von Christi Geburt ohne furiosen Erlösungszauber endet: Simeon wird immer noch sterben. Jesus wird immer noch von Herodes gejagt und von Pilatus gefangen werden. Durch die Seele Marias wird immer noch jenes Schwert dringen, von dem der lobpreisende und widerstandslose Todeskandidat mit ihrem Jungen auf dem Arm ihr geweissagt hat (vgl. Lk.2,35).

Warum ist das so?

– Noch einmal. … Weil das Geheimnis und die Offenbarung Jesu Christi dies ist: ER ist in die Wirklichkeit gekommen! Die Welt mit allen ihren Schicksalen und ihren sämtlichen Schatten ist Sein Ort!

Wir müssen das so betonen, weil wir nur so das bleibende, die Weihnachtszeit, die Passionszeit, die österliche und die pfingstliche, … ja überhaupt alle Zeit übertreffende Mysterium erfassen können, das uns heute begegnet: Dass die Herrlichkeit Jesu nichts Einzelnes und noch viel weniger nur etwas Besonderes ist. Dass die Bedeutung dieses Jesus Christus nicht an individuellen Zügen oder Taten oder Ereignissen seines Wesens und Lebens festgemacht werden will und dass wir Ihn nicht erkannt haben, wenn wir etwa die Höhe- oder Tiefpunkte im Bericht Seines biographischen Gangs von der Geburt bis zur Kreuzigung oder von der Verkündigung Seiner Empfängnis bis zu Seiner Auferstehung und Himmelfahrt meditiert haben, um den Rahmen, den die Evangelien spannen, voll auszumessen.

Jesus ist - ob man es glaubt oder nicht - tatsächlich weniger und Jesus ist - ob man es glaubt oder nicht - wahrhaftig mehr als alles, was wir gesondert aufzählen und alles, was wir mit Bestimmtheit erzählen können von Ihm und Seiner Geschichte. Weil Er das ist, was der wohl beinah fast erblindete Simeon, den wir eben dennoch einen „Seher“ nennen sollten, in Ihm erfasste: „Licht!“ ——

Versuchen wir auch hier - so wie nach Möglichkeit immer -, das Gehörte wörtlich aufzufassen:

Was ist denn das Licht?

Das Licht ist nichts Einzelnes. Das Licht ist nichts Abgegrenztes. Das Licht ist nichts von allen Erscheinungen Ablösbares, … nichts, das man aus hellen oder dunklen Szenen sauber herausfiltern und peinlich genau unterscheiden könnte, … nichts, das wir abstrakt an sich, aber auch nichts, das wir konkret veranschaulicht vom Hintergrund, vom Horizont, vom Hohen, vom Tiefen, von Farbe oder Schatten zu isolieren vermöchten.

Licht ist allgegenwärtig. Und wird darum vollständig übersehen.

Licht ist in seiner überwältigenden Unersetzlichkeit und seiner abgestuften Unscheinbarkeit der Träger aller unserer Eindrücke und zugleich das missachteteste aller Wunder.

Licht ist das, was alles offenbart und gerade darin vollkommen verschwindet.

Licht bringt uns die ganze Welt nahe und bleibt in diesem selbstlosen Dienst gänzlich unfassbar.

Wenn wir das Licht allein hätten, verginge uns das Sehen und Erkennen ebenso, wie es ohne das Licht nicht die allergeringste Sicht und Einsicht gäbe. Ein unlösbares Band verknüpft für uns den äußeren und inneren Kosmos mit dem Licht, obwohl sie beileibe nicht identisch sind.

Und wenn wir das Licht im Geist der Wissenschaft dingfest machen, sein Wesen analysieren, seine Essenz bestimmen wollen, dann stehen wir seit dem 20.Jahrhundert vor einem der größten Paradoxe der vermeintlich auf Widerspruchsfreiheit gegründeten physikalischen Weltanschauung: Es hat zwei Naturen. Licht ist Teilchen und Welle. ……. ———

Was ist das Licht? …

„Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen“, betet Simeon, der darum nun seine Augen im Frieden wird schließen können. „Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen, welchen Du bereitet hast vor allen Völkern. Ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis Deines Volkes Israel“ (Lk.2, 29-32).

Wer aber ist denn der Heiland? Seit Er aus der Höhle von Bethlehem in den Tempel Jerusalems getragen wurde, ist Er aus der Verborgenheit an den Ort der Gegenwart schlechthin - der Gottesgegenwart! - gekommen und bleibt doch der vollständig Übersehene.

Wie Simeon es empfand, ist Er überwältigend – nimmt Er doch sogar dem Alleszermalmer, dem Tod die Macht und den Schrecken! –, und trotzdem geht’s mit Ihm unscheinbar und schließlich so missachtet weiter (vgl. Jes53,2f), dass man vor Dem, an und in Dem man den unsichtbaren Vater in Seiner Herrlichkeit mit eigenen Augen sehen könnte (vgl. Joh14,9 / Kol.1,15 / 2.Kor.4,6) das Antlitz verbarg und wegschaute (vgl. Jes.53,3)!

Der Heiland, Der einerseits in Seinem Fleisch den Abglanz Gottes offenbart (vgl.1.Tim.3,16 / Hebr.1,3), entäußert sich darin doch gerade selbst und verschwindet in der Knechtsgestalt des Menschlichen (vgl. Phil.2,7).

Alles deckt Er auf - sogar die in den Herzen verborgenen Gedanken, wie ebenfalls Simeon sagt (vgl. Lk.2,35!) - und ist doch in dieser Allklarheit Der, Der vollkommen unerkannt dienen will und sein Leben zur Erlösung für Viele gibt (vgl.Mk.10,45).

Und nach Seinem höchsten, verklärten Aufstrahlen, das doch die Jünger vollkommen überforderte, sahen sie nur das für sie ganz Gewöhnliche, … das allein Nötige: Sie sahen niemand als Jesus allein (vgl. Matth.17,8).

Wenn wir aber fragen, was Er denn nun ist – himmlisch oder irdisch?, geiststofflich oder sterbliches Fleisch? –, dann erfahren wir bei allen, die uns Antwort geben, ebenfalls das allergrößte Paradox: Beides nämlich; …. Gott ist Er und Mensch! ———

Und auch wenn wir uns nur auf einem oder gar auf keinem dieser Gebiete bloß ein wenig Verstand zutrauen sollten, erkennen wir doch - wie unbeholfen die wechselseitige Beleuchtung auch immer war –, dass Quantenphysik und Christologie sich hier gegenseitig erhellen und ihre sonderbare Übereinstimmung die gemeinsame Relevanz und Logik des Forscher-, wie des Glaubensblickes aufdeckt: Das Licht und der Heiland sind sich ähnlich und einig in einer Weise, die weder die Apostel des Neuen Testaments noch die Physiker des großen nach-klassischen Paradigmenwechsels der Naturwissenschaft alleine für sich hätten fassen können und sollen. Das Wesentliche entzieht sich unserm Fassungsvermögen, weil es zwar in allem begegnet, was wir erkennen, aber doch anders ist, als wir entscheiden können.

Und darum ist der Satz, der heute, am volkstümlich „Lichtmess“ genannten Tag eigentlich der Predigttext ist, einerseits so tiefvertraut, dass er fast unspektakulär wirkt – was ja nichts anderes als „unansehnlich“ oder „uneinsehbar“ heißt –, und andererseits stellt dieser eine Vers den völligen Gipfelsatz allen Zeugnisses von Christus dar.

Bei unzähligen Taufen haben wir diesen Satz hier schon gehört, gesprochen und in einer unbekümmert personalisierten Taufkerze veranschaulicht gesehen:

„Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt.

Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“

Dieser Satz ist vor lauter Verwendung und Gebrauch beinah unsichtbar, … geruch-, farb- und geschmacklos wie das Licht selbst. Und er fällt im Johannesevangelium ja auch an keiner hervorgehoben feierlichen Stelle, sondern in den nickeligen Diskussionen, zu denen Jesu Heilung eines Blindgeborenen führt.
Da hat Jesus noch nicht die Welt erschüttert, noch nicht den Tod oder den Teufel besiegt. Da ist alles noch durchwachsene Alltagswirklichkeit, in der neben den faden Grundtönen hier und da Heilungsblitze aufleuchten. Aber es ist eben unsere nüchterne Erfahrung, in der Unschuldige grundlos leiden, weil sie mit körperlichen Gebrechen oder ungerechten Gewalten ringen müssen. Und in diese ordinäre Realität, in diese Momentaufnahme des meistens glanzlosen, oft schatten- und schadenreichen Daseins hinein geschieht ein Einzelwunder und klingt ein Ewigkeitswort.             

Denn dieses „Ich bin“: Das allein ist ja schon, wie wir seit der Offenbarung wissen, die der HERR im brennenden Dornbusch Moses zuteilwerden ließ (vgl. 2.Mose 3,14), nichts anderes als der Name Gottes.

Und dieses „das Licht“: Das ist doch die Grundtat aller Schöpfung Gottes, die damit anhebt, dass Er eben dieses ruft und Es hervortritt: „Es werde Licht“ (1.Mose1,2).

Und so sagt Jesus in die Wirklichkeit hinein, dass Gott und Gottes Schöpfung in Ihm da sind.

Gott bin Ich und Schöpfung, sagt dieses „Ich bin das Licht der Welt“.

So dass uns dämmert - wirklich aber höchstens dämmert, aber doch eben wahrlich dämmert und also immer heller wird! -, dass Weihnachten nicht vor vierzig Tagen war, sondern dass es im Urknall geschah, als Gott im Licht den Sohn gezeugt hat.

Und dass Weihnachten nie aufhört, weil die Allgegenwart des Sohnes in der Welt – auch in der Welt der grauen Tage und der trüben Nächte, auch in der Welt, in der wir leben und wie Simeon wohl auch noch sterben werden – … weil doch die Allgegenwart des im ersten Moment gerufenen Wortes, des gezeugten Lichtes, des Sohnes also so derart wirklich ist, dass es nichts gibt und niemanden gibt und nirgends etwas gibt, das nicht von diesem Licht belebt und gezeigt und umfasst und durchdrungen wäre (vgl. Joh.1,4f+9!).

Christus, das Licht ist überall.

Weihnachten – die Gegenwart des Lichtes noch in der stumpfen Schattenhaftigkeit, in der wir existieren und die Welt erleben –  …  Weihnachten, die Gegenwart des Lichtes also ist grenzenlos.

Und was immer sich auch verdunkelt, … was immer wir als düster erleben, … was immer sich unserm Blick und aller Klärung auch entziehen mag: Es ist doch nur durch das wahre Licht möglich und gegeben, dass wir es überhaupt erfahren und erleben.

Durch das wahre Licht, das macht, dass Finsternis leuchtet wie der Tag (vgl. Ps.139,12).

Durch das wahre Licht, das alle Völker erleuchtet und Israel in ihrer Mitte.

Durch das wahre Licht, das auch unsere Augen sehen dürfen, so dass wir leben mögen oder im Frieden sterben wie Simeon: Denn wir können nicht in der Finsternis wandeln.

Gott in Jesus, Jesus in Gott ist das Licht des Lebens. Das ewig ist.

… Wie Weihnachten.

… Und wie das Heil.

Amen.  

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