Laetare, 29.03.2025, Stadt- und Tersteegenkirche, Joh. 6, 47-51, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth & Tersteegen Lætare - 30.III.2025
Johannes 6, 47 - 51
Liebe Gemeinde!
Ein gutes Dutzend junger Landstreicher: … In ihren Adern und Gebeten das Erbe derer, die völlig vogelfrei vierzig Jahre durch die Wüste zogen. Einige hatten Boote und Netze besessen; manchen hatten Hütten gehört oder ein Stall und Ackergerät. Der Meister war groß geworden und tätig gewesen in der Zimmermannswerkstatt. … Doch seit sie einander hatten - der Meister und seine Zwölf -, hatten sie sonst nichts mehr. Denn sie hatten das Leben. … Wussten das gar nicht; hätten es nicht sagen oder erklären können. Aber sie hatten das Leben selbst. In ihrer ganzen Bettelarmut, in ihrer wandernden, irgendwo campierenden Leichtigkeit hatten sie die Fülle des Lebens. Seine Quelle und seine verheißene Endlosigkeit. … Ein gutes Dutzend Obdachloser und das Leben.
Als sie mit Ihm zogen und bei Ihm blieben und sich von Ihm aussenden ließen und Ihn dann wieder umgaben und sich wunderten und manchmal zu fragen trauten und oft auch nur Auge und Ohr für Ihn waren, … als sie Worte vernahmen und Taten sahen, die tiefer und größer waren als die Wurzeln der Berge und der helle Mittag, als sie zugleich Unerklärliches und Unscheinbares an Seiner Seite, in Seiner Spur erlebten, … als sie Feuer fingen, weil in ihnen ein Hoffen anging, das über alle Hoffnung war und weil sie etwas zu glauben begannen, das alles Wissen übertrifft, … als sie spürten, dass Erde und Himmel und Anfang und Ende sich verbanden, weil da auf den weichen Hügeln von Galiläa und in den staubigen Städtchen von Samarien bis hinauf nach Jerusalem das Ur-Wort und das bleibende Reich sich ankündigten und aufleuchteten und dann vorübergehend erschienen und dann tatsächlich greifbar gegenwärtig wurden, … als das alles passierte, da wurde es Tag und Nacht, … Sommer und Winter, Frost und Hitze kamen und zogen vorbei, … Aussaat geschah und Ernte (vgl. 1.Mose,822) … und sie wussten nicht wie (vgl.Mk.4,27). Sie hatten kein Land, … aber Brot und Leben. Sie hatten keine Sichel und keine Scheune, keine Tenne und keinen Dreschschlitten, … aber Brot und Leben. Sie hatten keine Mühlsteine und keinen gemauerten Ofen. … Aber Brot und Leben. Sie hatten nirgends, da sie ihr Haupt hätten hinlegen können (vgl. Lk.9,58). … Aber Brot hatten sie Tag für Tag und Leben - ohne es zu wissen - für immer. ——
Wer ist das, Der nirgends zuhause ist und bei Dem doch das Leben ist?
Wer ist das, Dem nichts gehört und bei Dem man dennoch Brot hat und Sättigung und Frieden höher als alle Vernunft?
Wer bist Du, Jesus?
Heute, am mittleren Sonntag der Wochen, in denen das Essen und aller Komfort und alles Vergnügen endlich einmal bewusst nicht im Mittelpunkt unserer Existenz stehen sollen, … heute, an diesem Sonntag, an dem das Verzichten allmählich leichter fällt und das Weniger mehr zu werden beginnt, … an diesem Sonntag, an dem es darum fröhlicher zugehen soll als an Invokavit und Reminiszere und Okuli, wenn man das Weglassen noch übt, und an Judika und Palmarum, auf die schon die Karfreitagsschatten des völligen Nichts fallen , … heute also ist ein wunderbarer Tag für diese einfache Frage, wer Jesus ist.
Drei Wochen des Weniger, … drei Wochen, in denen alle Arten des Überflusses uns in ihrer moralischen und medizinischen Problematik nachvollziehbarer geworden sein könnten, stellen uns also die Frage der Freiheit: Wer ist Jesus und reicht Er Dir?
Jesus ist nämlich genau wie die Frage: Arm und einfach. …
Reicht Dir Jesus? Das ist ja nun wirklich eine armselige Frage, … und zwar buchstäblich. Sie ist von den Erweckungsbewegungen und den Zeltmissionen, von den evangelikalen Fernseh-Predigern und ihrer stereotyp-suggestiven Choreographie und Rhetorik so abgenutzt, dass man sie kaum noch aus dem Müll der Floskeln und Gemeinplätze heraussortieren und recyclen mag.
„Reicht Dir Jesus?“ – Dieser Ansatz ist doch entsorgt worden, … oder? …
Aber wenn wir Rohstoffe und Gegenstände um der Zukunft willen wiederzuverwerten gelernt haben, … wer sagt uns dann eigentlich, dass das bei Missionsbotschaften und Glaubensgedanken und Grundwahrheiten nicht ebenso sinnvoll ist??
Versuchen wir’s doch einmal mit dem Satz, der schon wie ein vom Fasten schmal gewordener Überrest unserer sonst viel breiteren und schwergewichtigeren Skepsis wirkt: Reicht uns Jesus, obwohl er so arm ist? … ——
Ein Hauptunterschied zwischen Armut und Reichtum dürfte sein: Die Armut weiß, was reicht, während dem Reichtum nichts reicht. Armut braucht Sättigung. Reichtum wird unersättlich.
Überhaupt nur arme Menschen können also die Erfahrung machen, ob und wie man mit Jesus vielleicht sein volles Genügen und tiefste Zufriedenheit und echte Ruhe der Seele und die eigentliche Fülle des Lebens findet!
Das ist eine schwer bestreitbare Tatsache: In unserm überquellenden Leben, in der vollgestopften Angebots- und Warenwelt, die wir navigieren, in der Flut unserer Reizlenkung, in der Lawine dessen, was uns von außen aufgedrängt wird und was uns innen als ferngesteuerte Bedürfnisse der Appetit- und Angsthormone durchspült, … in dieser tragikomisch übertriebenen Kultur des Habens, das nur Wollen weckt und des Bekommens, das nur neue Begierden zeugt, da fällt ein einzelner, kleiner Jesus unter den Maschinen und Methoden und Mätzchen und Monstren, die wir angeblich nötig haben, nicht ins Gewicht.
… Der mit Teurem und Wichtigem, mit Neuem und Beneidenswertem zugemüllte Raum um uns, der immer weiter wuchernde Wunschzettel in uns und das seltsame Gefühl totaler Leere trotz dieses Überflusses verhindern alles: … Wir können den Wert eines Einzelnen im Massenhaften unmöglich wahrnehmen. … Wir können nichts schmecken, wenn wir alles zugleich in uns stopfen.
Und darum bedeutet Fasten an Leib und Seele tatsächlich nicht Entbehrung, sondern Eröffnung.
Verzicht auf das Viel zu viel wird Empfänglichkeit für das Wenige.
Und wer es nicht mit jedem Wahn und allen Moden und sämtlichen Möglichkeiten und den vielen Vielleichts und beliebigen Phantasien und billigem Betrug versucht, sondern einfach nur Jesus wählt, … ja, einfach nur Jesus probiert, … einfach nur konzentriert kostet, wie es ist, Jesus an- und aufzunehmen: Der kann beginnen, zu schmecken, wie freundlich der HERR ist (vgl. Ps.34,9).
Jesus ist arm und einfach. … Einfach nur ein Mensch. Er ist kein Fabelwesen und kein Übermensch, kein Halbgott und kein Held. Er ist einfach nur ein wahrer Mensch, in Dem uns alles Menschliche direkt, ohne Nebenwirkungen, ohne Künstliches, ohne Verstärker und ohne Süßlichkeit begegnet. … Aber gerade so eben auch vollkommen unverdorben. … Rein. Ein Mensch, Der mit uns geht. Ein Freund, Der uns in aller Natürlichkeit des menschlichen Miteinanders, ohne hintersinnige Instrumentalisierung zur Seite stehen wird, wo wir nicht allein sein können. Ein Begleiter, Der die Gabe besitzt und die Bereitschaft bewahrheitet, da zu sein … wann und wo auch immer. Einer, Der Sich Selbst darin treu ist, für uns zu sein und an uns zu denken. So treu, dass Er nicht aufgibt, wo wir Ihn längst und also auch uns selbst aufgegeben haben. …….
… Das ist nicht viel, mag man meinen. Dass da Einer offenbar ganz hartnäckig ist, wenn alles andre versagt und sogar unser eigener, sonst so bis zur Ausschließlichkeit fokussierter Durchsetzungs- und Durchhaltewille einknickt. Was soll das schon ändern - wenn alle sonstigen wissenschaftlichen und Zauber-Mittel versagen - dass da ein Einzelner nicht weicht, uns nicht verlässt?!
… Was bringt’s? … Dieser Eine? ……. ——
Noch lebt in unserer Gemeinde ein alter Herr, der als viel zu junges Bürschchen mutterseelen-allein in den Krieg musste. In die Hölle des Mitmachens und der eigenen Wertlosigkeit. Natürlich kam er in Gefangenschaft. Und war in der Hölle seiner Wertlosigkeit das schwächste Glied unter all den armen Teufeln, die in gleicher Verdammnis waren wie er (vgl. Lk.22,40). … Er wusste, dass er da sterben würde: Nur ein Kanten Brot am Tag! Für so ein ausgemergeltes, zuende gequältes Halbstarken-Gerippe! Einmal hob er sich den staubtrockenen, steinharten Kanten auf. Vielleicht weil der einfach zu mühsam zu brechen und zu kauen gewesen wäre, da er doch nicht gereicht hätte, um vorm Hungertod zu retten: … Nur sein Kanten. … Aber nachts auf der Pritsche merkte er, dass der Kamerad neben ihm reglos war. Kalt. Tot. Und merkte, dass der Tote auch noch einen solchen Brotkanten in der leichenstarren Faust hielt, den er nicht mehr hatte verzehren können. Da waren es zwei Kanten. Und der Mutterseeleneinsame, an dessen Seite einer für ihn gestorben war, kaute die ganze Nacht die beiden Kannten: Sein Brot und das Brot des anderen. … Und so lebt er bis heute.
Doch da höre ich wieder die Stimmen – meine und die Stimmen der Vielen – … die Stimmen der Ablehnung und des Widerspruchs: „Das Brot eines Toten als Brot des Lebens? … Wie grausam, wie pervers, wie zynisch ist das denn?!“ …….
… Ach, Menschenskinder! Guckt Euch doch mal um im Kramlager und in der Traumfabrik unseres Konsums: Wie Vieles vom Edelsten und Blanksten, vom Begehrenswerten und Verführerischen trägt nicht unsichtbar gemachte Blutspuren und Leidensnarben und hier und da die Zeichen des Todes, den andere starben, um uns die seltensten der Erden aus der Tiefe und das Metall aus Giftdampf und Feuer zu holen und die luftigen Sommerfähnchen und Polohemden für den Strand von Nizza und Sylt in der Erstickungsenge der Sweatshops zu nähen?
…. Wenn wir unsere Sachen unter das alles durchdringende Licht der Wahrheit halten, sehen wir überall, wie wir von Opfern leben.
Und da wollen wir uns weismachen, wir könnten eine Menschlichkeit, eine Treue und Liebe, die uns in Wahrheit und im Ernst viel, viel nötiger sind, nicht annehmen, weil sie kosteten? – Dinge nutzen wir also, ohne unser Gewissen zu fragen, wie sie wohl zustande kamen; … und den angebotenen Beistand, die echte Gemeinschaft, das reine Füreinander, das Der uns bietet, Der uns liebt, … das schlagen wir aus, weil es uns Zartbesaitete zu sehr belastet? … Wer soll uns das glauben?
Dass Jesus uns so einfach anbietet, durch Ihn zu leben, … dass Er die Grundlage unsres Daseins, … dass Er die alles an und in uns nährende Kraftquelle und die Stillung unseres durch nichts sonst zu sättigenden Hungers nach wirklichem Lebenssinn sein will, … dass Jesus also das Brot sein will, von dem echtes Menschenleben allein leben kann, das liegt an einer einzigen Zutat, die zu Seiner menschlichen Einfachheit und Echtheit hinzukommt: Er ist vom Himmel gekommen.
Er ist die Menschlichkeit für alle Menschen, ihre Substanz und ihre Garantie, weil Gott in Ihm, in Seinem Fleisch das Menschsein trägt.
Und diese einfache Verbindung – das rein Menschliche und das wahrhafte Gottsein –, … diese Einheit aus beiden, die uns das Leben schenkt, sie ist - wie man im Barock gesagt hätte - in der Mühle des Leidens zerstoßen, in der Knetschüssel der Schmerzen durchmischt und in der Glut des Kreuzes gebacken worden: Auferstanden aus diesem allen ist Er so für immer nahrhaft das Brot des Lebens.
Wer nun diesen Jesus mit dem einfachen Rezept – Mensch und Gott in ihrer unzertrennbaren Einheit – an- und aufnimmt, hat alles, was es braucht!
Alles, was jeder braucht!
Alles, was ich brauche!
Wir sollten uns also noch einmal fragen, ob Er uns reicht?
Oder wir fragen umgekehrt: Kann uns denn jemals mehr nötig sein, als dass wir täglich mit dieser Grundeinfachheit gestärkt werden: Da ist Einer, Der uns wirklich meint, … Einer, Der uns immer beisteht, … Einer, Der uns ewig bleibt, … und in diesem Einen, da ist Gott! ——
Die zwölf jungen Landstreicher hatten Ihn und wo sie hinkamen, teilten sie Ihn.
Und wir hier: Wenn wir an Ihn glauben, … dann haben wir das ewige Leben!
So dass uns nur ein einziger Wunsch noch bleibt: Dass in dieser Zeit der äußersten Not, Gewalt und Trübsal noch viele, viele, viele andere, die es so dringend nötig haben, das Eine finden:
Ihn – das Brot vom Himmel … für das Leben der Welt!
Amen.
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