Gründonnerstag, 17.04.2025, Stadtkirche, 1.Korinther 11, 23 - 26, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth Gründonnerstag - 17.IV.2025
1.Korinther 11, 23-26
Liebe Gemeinde!
Heute wird sie geboren, … nicht Pfingsten!
… Pfingsten ist ihre zweite Gründung nach der Katastrophe; Pfingsten ist ihre bitter nötige Heilung, … die Stärkung und Festigung, die tatsächlich die Möglichkeit der Sendung zu allen schafft. Pfingsten ist - wenn man so will - der erneuerte Bund des Neuen Testaments, genauso wie es nach der frühen, schnellen, völligen Katastrophe der Schöpfung in der Sintflut der Bund mit Noah war.
… Denn darin ist die Rede vom „Alten“ und vom „Neuen“ Bund immer schon eine Naivität gewesen, dass sie den Eindruck erweckt, Gott habe ein einziges Mal erneuern müssen, was ein einziges Mal brüchig geworden wäre: Die Geschichte der Menschheit, die Geschichte Israels, die Geschichte der Kirche ist voll und übervoll von Verstößen und Missachtungen und Übertretungen und Ausblendungen und mutwilligen Verletzungen und abgründig bewussten Leugnungen des Bundes, den Gott Seinen Menschen, Seinem Volk, Seiner Kirche aus allen Völkern als Raum des Schutzes und des Segens, als Raum des Schalom - des physischen und spirituellen Blühens - angeboten hat.
… Nichts aber ist gebrochener als dieser Gottesbund.
Und nichts ist langmütiger als die Vergebungsgeduld des Bundeserneuerungs[i]-Gottes.
Und so wäre nichts in dieser gesamten Geschichte der Zerbrechlichkeit des Bundes auf Menschenseite und der aus dieser Zerbrechlichkeit entstehenden Abbrüche und Verbrechen trauriger, als die Geschichte der Kirche, deren Geburtstag heute ist, … nichts also - sage ich - wäre trauriger, als die Geschichte der wort- und bundesbrüchigen Kirche, wenn sie nicht eben ausgerechnet heute, unter den ungeheuerlichen Umständen, die uns jetzt vor Augen stehen, geboren worden wäre:
Die Kirche entstand in der Feier des Passamahles.
In einem Obergemach in Jerusalem, unter vielen Tausenden Tischgemeinschaften, die überall als Familien der Einheimischen und als Festversammlungen der Pilger in dieser Nacht das lange, feierlich-fröhliche, symbolisch die Exodus-Erfahrung der Väter real vergegenwärtigende Mahl der ungesäuerten Brote, der Bitterkräuer, der salzigen Tränen und des tröstenden Weins, v.a. aber des lebensrettenden Lammes feierten. Sie sangen und erzählten von ägyptischer Fron und eiligem Aufbruch, vom Beinah-Ertrinken und nervenaufreibenden Wundern, sie priesen Moses, ihren Lehrer und das Gottesgeschenk ihrer Freiheit.
Und unter den unüberschaubaren Hausgemeinden, die da in der ganzen Stadt alle gleichzeitig die erzählende, deutende, anschauliche Liturgie der Erlösung begingen, war nicht nur in der eifrig konzentrierten Seminaratmosphäre seiner Talmudschule bei Rabbi Gamaliel der junge Saulus aus Tarsus (vgl. Apg.22,3), sondern in der südwestlichen Ecke Jerusalems, auf dem Zion hatte sich zur selben Stunde ein malerisches galiläisches Fußvolk aus Kapernaum und Bethsaida versammelt um seinen Rabbi, den Zimmermann aus Nazareth. … Auch sie feierten das Passah. … Doch dann wurde aus ihrer, im Vergleich zu den meisten damaligen Feiern in Jerusalem bescheidenen Tischgemeinschaft mit dem Leihgeschirr und den einfachen Matten und dem wenig anheimelnden Saal etwas, das entweder sofort … oder nie wieder zu Ende ging: Es wurde die Kirche! Sie entstand an jenem Abend … und sie scheiterte in jener Nacht!
Sie entstand, als der Zimmermann-Rabbi, Jesus von Nazareth ein völlig neues Gebilde und Gebäude fügte: „Das ist mein Leib.“ …
Paulus hat es später wie kein Zweiter verstanden, dass dieser Leib Christi aus den Vielen besteht, die in Ihm doch eins sind (vgl.Rö.12,5; 1.Kor.12,27) und dass Jesus Christus der Grundstein ist, Der diesen Tempel des Heiligen Geistes trägt (vgl.1.Kor.3,11.16f1; 6,15ff).
Dass aber genau dieser Leib – der lebendige und alle, die Leben wollen, durch Sein Leben mitbelebende Leib Jesu, der die Kirche ist –, … dass also dieser Leib bei jenem Passamahl entstand, das hat Paulus, der damals als Saulus noch kategorisch getrennt von den anderen Aposteln feierte, auch erfasst.
Er hat erfasst, dass Jesus, indem Er Sich Selbst für alle dahingab, zugleich alle die Vielen in Sich, dem Einen verband: Der Leib, Der gegeben wird, macht alle, die Ihn empfangen, wahrhaftig und leiblich zu solchen, die Teil an Ihm haben, zu Seinen Teilen also.
Dieser Leib – der wahre Leib Jesu, der Sich verwirklicht in allen, die Ihn in direktester Weise annehmen – … dieser Leib also ist die Kirche: Die Gemeinschaft in dem Einen; die Vielen, deren leibliches und seelisches Leben sich aus dem Einen speist.
Und von diesem, durch Seine Teilung als Brot entstandenen, durch Seine Brechung in Stücke erst zusammengefügten, durch Seine sakramentale Distribution erst real konstituierten Leib sagt Paulus das beiläufige und doch ungeheuerliche Wort: „Ich nun hab’s vom Herrn empfangen“!?! …
… Doch der harmlos schwerhörig gewordene Mensch nach der Entmythologisierung[ii], also nach dem erfolgreichen Vorgang, den biblischen Zeugnissen alle Wirklichkeit zu verbieten, die nicht auf den flachen Bierdeckel unseres derzeitigen, reduzierten Verständnisses passt, dass es in aller Welt nichts geben darf, das wir nicht verbuchen könnten, … der harmlos mit der Entmythologisierung zufriedene, auf lediglich seine ganz eigenen Voraussetzungen also begrenzte Mensch von gerade heute weiß, was davon zu halten ist: Paulus meint, dass er die Gewohnheit des Abendmahlfeierns und ein paar Formeln dafür im Zusammenhang mit Jesus Christus aufgeschnappt hat; er hat also die Kunde und Überlieferung davon irgendwo mitgekriegt.
… So kann man das Wörtchen „empfangen“ erklären: Etwas ist als Tradition an mich weitergeleitet worden.
Wenn nicht die beiden anderen, ganz unauffälligen Worte so dagegensprächen: „Ich nun…“.
Sie sind zwar wirklich unspektakulär. Doch bei Paulus haben sie’s in sich. Er nutzt sie in dieser betonten Voranstellung immer, wenn er etwas vollkommen Fundamentales hervorheben will, etwas, das ihn mit Haut und Haar, im Leben und im Sterben, mit totaler und radikaler Konsequenz also betrifft: „Ich nun bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben“ (Gal.2,19) / „Ich nun habe gelernt, mir in allem genügen zu lassen“ (Phil.4,11) / „Ich nun bin der Geringste unter allen Aposteln“ (1.Kor.15,9). … Und dann noch eine ganz leibliche, ganz somatische Selbstaussage des Paulus, die die allermeisten von uns gar nicht kennen: „Ich nun trage die Wundmale (wörtlich: Stigmata) Jesu an meinem Leib“ (Gal.6,17).
Wenn es also absolut unverwechselbare, existentielle, konkrete Ich-Botschaften des Apostels Paulus gibt, dann sind es diese mit „Ich nun - Ἐγὼ γὰρ“ beginnenden Sätze: Wie jener, mit dem er die Hingabe des Leibes Christi, durch die die Kirche entsteht, genauso einleitet wie seine anderen höchstpersönlichen Selbstreflexionen. ———
Wenn Paulus darum sagt: „Ich nun hab’s vom Herrn empfangen, … das Mahl, das Seinen Leib und den darin erneuerten Bund vermittelt“, dann hilft es nicht, ihm in die Parade zu fahren und zu kontern: „Stimmt nachweislich nicht! An jenem Abend warst Du mit dem gelehrten Nachwuchs der rabbinischen Elite im festlich glänzenden Lehrhaus des Gamaliel und nicht etwa bei den galiläischen Landstreichern auf dem Söller am Stadtrand!“
Denn das – so weiß jeder Schüler des Gamaliel es ebenso wie jeder Jünger des Galiläers – … das ist ja gerade das, was diese Passahnacht von allen anderen Nächten[iii] und was ein Passahmahl von allen anderen Gastmählern unterscheidet: In dieser Nacht ist man nicht dort, wo man sich befindet, und man isst nicht nur, was man sieht.
In dieser Nacht ist man nur deshalb zufällig, wo man ist, weil man an etwas viel Entscheidenderem, viele Wirklicherem Anteil hat: Und was man isst, gerade das bezieht auch den Körper und nicht nur den Geist in dieses reale Gedächtnis, in diesen „realisierenden“ - begreifenden!, verwirklichenden! - Denkgenuss ein.
Man ist beim Passamahl versammelt, weil es die eigene Befreiung aus der Sklaverei ist, die sich dort realisiert. Man bricht das Brot des Aufbruchs aus Fluch und Qual der Knechtschaft, weil dieser Aufbruch kein vergangener, sondern der eigene IST!
Man trinkt mit Danksagung aus dem Kelch des Heils, weil es die eigene Loslösung aus dem Zwang und der eigene Bund mit dem Befreier IST, die durch das mit Herz und Seele und Geist und Lippen und Kehle und Körper gedenkende, bekennende Aufnehmen geschehen.
Das Passamahl, das Abendmahl sind also wirklich Feiern der Wirklichkeit!
Niemals sind sie nur Übungen oder Darstellungen eines „Als ob“!
Und darum meint Paulus es wirklich und real, dass auch Er selbst, persönlich („Ich nun“) es vom Herrn empfangen hat: Das Brot, das der Leib ist, und den Kelch, der das Blut des auf Seiten Gottes niemals alten, immer neuen Bundes ist!
So wie Saulus bei Gamaliel unter den Schülern erlebte, dass er selber dabei war, als die Sklaven hastig aßen und dann in die Nacht aufbrachen, durch Ägypten flohen und am Schilfmeer wunderbar gerettet wurden, genauso hat Paulus es – vielleicht zum ersten Mal in Damaskus, wo er Häscher und Mörder der Christen werden wollte – erlebt, dass er ebenfalls selber dabei war, als jener Leib hingegeben wurde, in Den er als Christ für immer gehörte.
Ich hab’s empfangen.
Ich gehöre mit dazu.
Ich lebe von diesem Leib.
Ich selbst bin Teil dieses Leibes. ———
… Kein „Als ob“.
… Kein „Damals“.
… Keine Gedächtnisstütze.
… Keine Symbolhandlung.
Heute wird sie geboren: Die Kirche, die von dem Leib lebt, der ihr jetzt geschenkt wird; die Kirche, die von dem Bund lebt, der jetzt und hier neu ist.
… Die Kirche, die abends ungefähr zu der Stunde, die unsere Uhren jetzt zeigen, beim Mahl und durch das Mahl entstand und die in jener Nacht noch durch ihre Schwäche, ihr Einschlafen und dann im hektischen Tumult durch ihre Übersprungshandlungen, v.a. aber durch Feigheit und Flucht – weil nur noch die eigene Haut und nicht im Geringsten der Leib des Herrn und die Gemeinschaft der Glaubenden zählten! – sich völlig aufgelöst hätte, wenn nicht einer, höchstens zwei der Jünger trotz allem etwas mehr Liebe als Furcht empfunden hätten und wenn nicht die Frauen - natürlich die Frauen - irgendwie auch noch das Allerschlimmste durchgehalten hätten und dageblieben wären, als alles aus war.
… Die Kirche, die den Leib und Bund Jesu Christi empfing und in sich verkörpert – und die doch so völlig scheitert in der Nacht, da Er verraten ward … durch sie!
„Ich nun hab’s vom Herrn empfangen“, sagt Paulus, „dass ich dazugehöre … und Ihr, in Korinth auch. … Und in Kaiserswerth. … Ich auch. … Du auch. … Zu der Kirche, die in dieser Nacht des Verrates begann.“
Auch diese Klarstellung also, die kein Zucken, kein Ausweichen, kein Verdrücken - „Ich war ja gar nicht selbst dabei“ - kennt, … auch diese Klarstellung hat Paulus unmissverständlich wie kein Zweiter begriffen und festgehalten:
Dabei zu sein bei Jesus, dabei zu sein bei der Kirche, heißt ganz dabei zu sein! Nicht in beliebig-bequemer Auswahl, nicht im Fragment, nicht nach eigenem Gusto. Sondern mit allem und allen: Paulus, der ihn nie kennenlernte, gehört mit Judas Ischariot, dem Verräter, an den Tisch. Auch mit Petrus, ausgerechnet mit Petrus, mit dem er einen entscheidenden Zusammenstoß hatte (vgl. Gal.2,11), … mit Petrus, dem armen Großmaul und noch erbärmlicheren Verleugner, weiß Paulus sich in dieser Nacht eins. … Mit allen. … Die dabei waren, … sind, … sein werden.
… Weil im Abendmahl - wie im Exodus - nicht nur eine Generation, sondern alle Generationen, bis zum Ende der Zeiten versammelt sind und Gemeinschaft haben.
Weil die Kirche nicht aus den Guten besteht, sondern aus denen, die in ihrer Schwäche, Bedürftigkeit und wort- und treubrüchigen Fehlbarkeit alle nur von Gott leben.
Weil sie nicht aus den Starken besteht (vgl. 1.Kor.8 + 10,23ff!), sondern aus denen, die stets gestärkt werden müssen.
Weil sie nicht aus den Vollkommenen besteht, sondern aus denen, die wieder und wieder, in steter, unermüdlicher Wiederholung durch Gottes Langmut und Geduld den Bund neu annehmen, ihn neu empfangen und bekennen müssen.
Darum ist dieser Abend, diese Stunde, dieses Mahl so wichtig.
Weil wir jetzt, neben den Zwölfen und zusammen mit Paulus, in Gemeinschaft mit allen, die vor uns waren, mit uns leben und nach uns kommen, am Leib Christi teilhaben und den neuen Bund selber bestätigen dürfen.
Jetzt geschieht es, dass wir eins werden: Untereinander, weil wir es in IHM sind.
Und alles, was uns bevorsteht, wird immer und immer wieder von diesem in Ewigkeit neuen Bund mit Gott selbst im Leib Jesu Christi, in der durch das Abendmahl entstandenen Kirche die ursprüngliche und unverbrüchliche Verheißung haben:
Dass nämlich in allem Scheitern und allen Siegen der Seinen die Hingabe unseres Herrn wirkt – Seinen Tod verkündigen wir – und dass Seine endgültige Zukunft sich durch alles das hindurch unaufhaltsam vollzieht – …, denn Er kommt in Herrlichkeit!
Heute geschieht’s!
Amen.
[i] Die alttestamentliche Wissenschaft hat vom 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die These eines regelmäßigen „Bundeserneuerungsfestes“ im Kult Israels (erfolglos) zu beweisen versucht, … vielleicht weil es ihr schlicht nicht eingängig sein konnte, dass die Erneuerung des Bundes so zentral zu dessen Wesen - besser: zum Wesen Gottes - gehört, dass nicht ein einzelnes Fest, sondern die gesamte Heils- und Unheilsgeschichte Israels davon geprägt ist.
[ii] Der Streit um die Entmythologisierung ist seit Jahrzehnten verklungen und ein alter Hut. Die Problemanzeige, die die „Frommen“ damals anmeldeten, ist ausgewandert auf ganz andere Gebiete: Es geht um die Hybris, mit der sich eine bestimmte – eurozentrische, aufklärungsphilosophische, szientistische (ergänze heut: „weiße, männliche, koloniale“) – Perspektive absolut setzt, indem sie sich bestimmte Sichtweisen und Elemente fremder Überlieferungen aneignet (appropriiert) und andere eliminiert, weil sie die alternativlose Hegemonie für ihren Ansatz beansprucht. Solche Dominanz einer einzigen, partikularen, sich indes als „wissenschaftlich-objektiv“ inszenierenden Verständnisbemühung muss auch ein halbes Jahrhundert nach den Kulturkämpfen um die existenziale, bzw. wörtliche Auslegung der Schrift angefochten werden.
[iii] Hier wird die in der Passah-Liturgie bis heute berühmte „Frage des jüngsten Kindes“ aufgegriffen, das die Feiernden beim gemeinschaftlichen Mahl fragen muss: „Was unterscheidet diese Nacht von allen Nächten?“ Diese hermeneutische Unbefangenheit eines Kindes ist es, die (vgl. vorige Anmerkung) die Vorurteile der Wissenden und Wissenschaft spielerisch und befreiend entlarvt. Auch die Kirche muss sich wieder „wie die Kinder“ nach dem Einzigartigen ihrer Überlieferung fragen und die Engführung aller ihrer fixierten, heute: historisch-kritischen Vorverständnisse überwinden.
Veranstaltungskalender

Gemeindebüros

Adresse
Fliednerstr. 6
40489 Düsseldorf
Tel.: 0211 40 12 54
Adresse
Tersteegenplatz 1
40474 Düsseldorf
Tel.: 0211 43 41 66
Öffnungszeiten
Mo - Fr | 10:00 - 15:00 Uhr |
Di | 10:00 - 15:00 Uhr |
Öffnungszeiten
Di | 09:00 - 16:00 Uhr |
Mi u. Fr | 09:00 - 12:00 Uhr |
Spendenkonto
Ev. Kirchengemeinde Kaiserswerth-Tersteegen
DE38 3506 0190 1088 5230 39
.
Tageslosungen
1. Samuel 7,8
Paulus schreibt aus dem Gefängnis: Ich weiß: Alles, was ich jetzt durchmache, wird zuletzt zu meiner Rettung führen. Darin unterstützen mich eure Gebete und der Geist, durch den Jesus Christus mir beisteht.
Philipper 1,19