Okuli, 23.03.2025, Segensgottesdienst, Tersteegenkirche, F.Schulz-Hoffmann
Dieser Gottesdienst war ein ganz besonderer: Neben gleich zwei Taufen konnten sich Jubilare, deren Taufe, Konfirmation oder Hochzeit (eventuell sogar rund) jährte, segnen lassen. Und damit niemand außen vor blieb, bekamen auch Einzelpersonen ohne Jubiläum am Ende ihren Segen. "Gottesdienst mit Segenstationen" war dann auch das heutige Motto. Statt einer längeren Predigt gab Pfarrerin Felicitas Schulz-Hoffmann den Anwesenden zwei Fragen zum Thema "Segen" zum Nachdenken mit auf den Weg.
HIER gibt es diese Gedanken zum Thema "Segen" zum Nachhören.
Okuli, 23.03.2025, Stadtkirche, Jeremia 20, 7 - 11a, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth Okuli - 23.III.2025
Jeremia 20, 7 - 11a
Liebe Gemeinde!
In der neuen Fach- und Fremdsprache, die ich jetzt lernen muss, heißt es „Beschwerdemanagement“: Das Ohr und die Anlaufstelle für die Klagen.
Es ist vermutlich nicht beneidenswert, wenn man dafür als Mensch unter Menschen zuständig ist.
… Aber wie mag es erst sein, wenn man Gottes Beschwerdemanagement verantworten soll?!
Selbst die, die nicht Seine Klienten sind - um kurz in dem Jargon zu bleiben, der mir blüht -, … selbst die, die Ihn für nichts sonst zuständig sehen, … selbst die, für die Er gar nicht existiert, … selbst die klagen Ihn an, fordern Ihn zur Rechenschaft, weisen Ihm Versagen und verletzte Aufsichtspflicht nach und drohen, Ihn (Der für Sie niemand ist!) zu diskreditieren und in ihrem Weltbild wegen ihres gestörten Gerechtigkeitsempfindens und Sinnhaftigkeitsgefühls rechtskräftig durch eine andere Instanz ersetzen zu lassen. Berufung ausgeschlossen.
Gottes Beschwerdemanagement also: … Sein vollstes Brieffach, während die Dankespost, die Lieder des Lobes und der Anbetung, aber auch die Bittgesuche und der schlichte Alltagsaustausch im Gebet immer weiter zurückgehen.
Es ist im Himmel so wie in der großen Gastronomie: Das Gute, ja das Beste wird nicht mehr mit Anerkennung genossen, dafür nimmt die Unzufriedenheit im gleichen Maße wie die Unverschämtheit der Gäste überhand. Ein berühmter Koch in Kensington - so las man jüngst in der englischen Presse[i] - dem es schwerfiel, den jahrzehntelang verinnerlichten Grundsatz, dass der Kunde immer Recht habe, zu verabschieden, wurde schließlich erst durch einen Gast ernüchtert, die für eine prachtvolle Delikatesse kostenlosen Ersatz verlangte, weil sie im frisch zubereiteten Gericht eine Folie entdeckt haben wollte. Die Überwachungskamera zeigte, wie die Kundin selbst die Folie in die Speise steckte, um ihren Anspruch zu erschleichen.
… Wer müsste da nicht am Morgen nach der “Earth hour” an die wundervolle Schöpfung Gottes denken, die wir wie jener Gast von Nord- bis Südpol mit unserm Plastik überzogen und unserer Zerstörungskraft verdorben haben, und doch wird der Schöpfer angeklagt, dass die Welt voller unlösbarer Probleme und die Menschheit in der Sackgasse sei: „Her mit der kostenlosen Ersatzwelt zur Entschädigung! Die Menschheit will den Manager sprechen! Wir verlangen unser Recht!“ …
Das ist die eine Seite der endlosen Klagen, der grundlosen Beschwerden, die von jeher in Gottes Richtung abgeladen werden: Klagen, die Ablenkungsmanöver waren und sind. Klagen, die Selbsttäuschung und Hinterlist verraten. Klagen der Schuldigen.
Aber der HERR ist ein Gott des Rechts (Jes.30,18)!
Das sollen alle wissen, die heute und in Zukunft meinen, sie könnten das Recht beugen und brechen, sie könnten es sich nehmen und niemand anderem geben, sie dürften es verdrehen und brauchten es nicht zu fürchten. Der HERR ist ein Gott des Rechts! Und darum dringen vor Ihn die Klagen aller, die Unrecht leiden (vgl.Ps.146,7); Er hört das Gebet der Unterdrückten (Sirach35,16) und die Stimme derer, die rechtlich und körperlich ohne Stimme sind, … und sollten diese - die Kinder nämlich - einst schweigen, so werden doch nach Jesu Prophezeiung die Steine schreien (vgl.Lk.19,40!).
Die Klage der Unschuldigen also dringt durch zu Gott, und sie ist eine viel, viel stärkere Macht als die perfide und verlogene Anklagerei derer, die Ihn haftbar machen wollen für die Sünden, die sie selbst begehen. ———
Eben nun haben wir den Klagepropheten schlechthin gehört.
Seine Qualen und seine Traurigkeit, sein Jammer und Schmerz tönen seit Jahrhunderten in den Wochen der Passionszeit durch die Liturgien und Gottesdienste der Christenheit: Jeremia, der seelische Märtyrer bei lebendigem Leib, der untröstlich Verunsicherte in Zeiten verdächtiger Sicherheitsillusionen, … Jeremia, der verhasste Unglücksrabe, als Jerusalem kurz vor seiner Katastrophe vom Tempel und vom Königspalast aus noch mit Wohlstands- und Friedenspropaganda berieselt und eingelullt wurde, … Jeremia, der pessimistische Realist in Gottes Auftrag, als man überall religiöse und politische Positivitäts-Halluzinationen verströmte wie den Cannabis-Dunst heute, … Jeremia, der Bote der Wahrheit, die weniger schmeichelt und schont als die Lüge …, Jeremia hat seine Unschuld satt, die ihm viel, viel mehr Verfolgung, Hass und Lebensgefahr einträgt als die übelste Korruption und Unmoral es jemals könnten.
Er kann und mag nicht mehr die Warnungen und die Maßstäbe Gottes überbringen an eine Welt und eine Gemeinde, die sich viel lieber bequem im Selbstbetrug einrichten, der 605 v. Chr. genauso klang und verfing wie 2025 danach.: „So schlimm kommt’s schon nicht. Es muss sich nichts ändern. Wenn alle dabeibleiben, können wir logischerweise nicht aufhören.“
So änderte Jerusalem seine Gewohnheiten, seine Blindheiten nicht. Es blieb seiner Untreue treu. Bis Nebukadnezar kam und mit ihm die alte Wahrheit, dass man in seinem Tun nicht erntet, was man gerne hätte, sondern was man sät und nicht das erhält, was man sich einbildet, sondern das, was man anrichtet. …
Doch einstweilen brach nur Jeremia zusammen. In einer Klage, die heute direkt vor die Disziplinarkammer jeder Kirche führen würde und die darum seit Hieronymus niemand mehr wörtlich zu übersetzen wagte[ii]: „Du hast mich verführt … verführt zum erbärmlichen, entwürdigenden Los des Propheten; Du hast mich entmündigt, als ich zu Deinem Mund gemacht wurde“, schluchzt und schleudert er Gott ins Gesicht. … Im Klartext: Du hast mir Gewalt angetan. … Du hast mich missbraucht. …… ….. …. … .. .
Das ist die abgründigste Klage der Unschuld, die es gibt.
Es ist - wie wir wissen müssen - das abgründigste Verbrechen, als dessen Opfer Jeremia sich erfährt. Seine unzweifelhafte Unschuld, seine ganz und gar nicht selbstverschuldete Isolation und Stigmatisierung, seine bis zum Selbsthass und zur Daseinsverzweiflung reichenden Selbstzweifel und sein ganz und gar zerbrochenes Vertrauen in alles und jeden sind die furchtbaren Schmerzen eines Menschen, der psychische und persönliche Gewalt erlitten hat.
… Gerade seine Unschuld ist sein vernichtender Schmerz.
Hätte er sich in Szene setzen wollen, hätte er für sich Wahrnehmung und Echo gesucht, hätte es ihm geschmeichelt, mit der leidenschaftlichsten Wirklichkeit der Welt - Gott nämlich - in Verbindung gebracht zu werden: Sein Leid wäre immerhin durch diese Anhaltspunkte in ihm selber erklärbarer gewesen.
… Doch nichts von alledem traf bei Jeremia zu. Schüchtern, wie kein zweiter Prophet (vgl. Jer.1,6), hilflos und verlassen vergleicht er sich selbst mit einem arglosen Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird (vgl.Jer.11,19). …..
Kein Zweifel: Die Psyche Jeremias ist die Psyche eines Gewaltopfers. Die Psyche des unschuldigen Menschen, der unter Menschenschuld erstickt.
Nur dass eben die Gewalttat, die Jeremia zum Märtyrer macht, nicht die Tat Gottes an ihm, sondern das Echo auf Gott ist, das die Unschuldigen trifft.
Jeremia erleidet die Passion Gottes mit.
Er trägt Gott in sich, auf den die Welt allergisch und das heißt mit reflexhafter, fiebriger, glühender Abstoßung reagiert.
Die Gotteskrankheit, die in Jeremias Leben ausgebrochen ist und wütet, die Gottes-schmerzen, die er trägt, der Gottesspott, der auch den Propheten trifft, die Gottverdammung, die dem Gottesboten und Gottesfreund gilt, sie alle führen zu den bitteren Schmerzen der Unschuld, die Jeremias Klage so grauenvoll machen.
Grauenvoll, weil alle Logik an ihr zerbricht.
Denn es stimmt nur halb - und also gar nicht-, wenn wir uns logisch aus der Befassung mit der furchtbaren Klage und Anklage Jeremias retten wollen, die er eindeutig gegen Gott richtet, obwohl sie doch den Menschen, die ihn stellvertretend für Gott leiden lassen, gelten müssten. Zu dozieren, Jeremia verwechsele Ursache und Wirkung, wenn er seine schmerzhaften Leidenserfahrungen, die Menschen ihm zufügen, auf Gott zurückführt, stimmt nur halb … und also gar nicht.
Ja, tatsächlich sind es die Menschen, die Jeremia so ohnmächtig das Schicksal des Lammes auf dem Weg zur Schlachtbank empfinden lassen.
Es sind Menschen, die Jeremia die feurigen Schmerzen seines Scheiterns im Namen Gottes … und seines Scheiterns am Verschweigen Gottes zufügen. ——
Aber dass dieses Lamm Jeremia gerade so für das andere Lamm, … das Gotteslamm, … das Lamm, das Gott ist, leidet, lässt sich nicht verkennen. …….
Es fällt darum – allerdings in der Gemeinsamkeit der unschuldigen Opfer, nicht im Sinne der Täteranklage – tatsächlich auch auf Gott das schwere Gewicht der Jeremia-Klage. Sein Leid unter den Menschen ist ein Um-Gottes-willen-Leiden. ——
Und da werden wir stumm.
… Diese Vorwürfe, diese Beschwerden soll dann eben Gott irgendwie aufklären und ausräumen. Mit den Anklagen, dass Menschen mit Ihm, für Ihn und um Seinetwillen leiden, muss Er nun fertigwerden: So denken wir.
… Dass wir also wahrhaftig nicht die Beschwerdemanager Gottes sind, denken wir. …
Aber wenn das der letzte Gedanke dazu ist, dann müssten wir nicht nur wiederholt den dritten Sonntag der Passionszeit, sondern eigentlich das ganze Evangelium überspringen.
Denn auch wenn uns das immer furchtbar - furchtbar fremd und furchtbar lästig und furchtbar bedrängend und beschwerlich – ist, ist heute dennoch dieser Sonntag: Der Sonntag der Nachfolge.
Weil das Evangelium von Jesus Christus vom Ruf in die Nachfolge durchwoben ist. Ohne diesen wiederholten Ruf, der Menschen beim Fischen (vgl. Matth.4,19) und am Zoll (Matth.9,9) - also im plattesten Alltag - ergreift, … ohne diese Gelegenheit zur Nachfolge, die Reichen (Matth.19,21) wie Bettlern (Matth.9,27) gleichermaßen offensteht, … ohne diese Freiheit zur Nachfolge, in der Frauen (Matth.27,55) und Unfreie aus der Dunkelheit treten und das Licht ihres eigenen Lebens am Licht der Welt hellglänzend und sichtbar entzünden dürfen (vgl. Joh.8,12), … ohne diese befreiende, aber auch verbindliche Nachfolge, die Menschen im Kreuztragen (Matth.10,38) wie im endzeitlichen Sitzen auf dem Thron der Herrlichkeit (Matth.19,28) ganz und gar und unlöslich mit Jesus verbindet, … ohne die Aufforderung also zur Nachfolge und ohne die antwortende Freiwilligkeit in solcher Nachfolge, wäre das Evangelium vorbei: Beendete Geschichte. Abgeschnittener Faden. Fertig gewebter Stoff.
Nur die Möglichkeit unserer Nachfolge macht das Evangelium zu dem, was es ist: Wahrheit!
Das aber steht heute und in diesen Wochen des Kirchenjahres, … vielleicht indes auch allgemein und ganz politisch und ganz existentiell in unseren Tagen und in der Zukunft, die uns bevorsteht, in so vollem, lebendigem Ernst vor uns, wie wir das alle nicht mehr gewohnt sind: Jesus Christus ist gekommen als Erlöser der Welt und gerade deshalb als das Lamm, das zur Schlachtbank dieser Welt gezerrt wird. Und diese, Seine Beschwerden, … dieses, Sein Kreuz, … diese, Seine Passionsnöte, … dieser, Sein Dienst der Liebe und der Hingabe in aller Unschuld an die Schuldigen … dies alles ist verbunden mit dem Ruf, dass auch wir uns davon beschweren und betreffen lassen.
Werden wir diesen Ruf hören und ertragen?
Werden wir die Beschwernis des Kreuzes und der Kreuzgemeinschaft aushalten oder werden wir uns auf’s Beschweren, auf’s Motzen und Jammern und Fordern zurückziehen?
Werden wir gemeinsam mit dem unschuldigen Jesus wie Jeremia den Argwohn und den Ärger der Menschen aushalten, die in Ruhe gelassen werden und nicht erkennen wollen, was sie tun und lassen müssten, um das Recht zu wahren und weitere, bittere, absichtliche Schuld zu vermeiden?
Werden wir unsere Gewohnheiten lieber haben, als die Gemeinschaft mit Gott, zu der wir gerufen sind?
Werden wir nachfolgen oder das Evangelium Lügen strafen? —
Werden wir also die Hand überhaupt an den Pflug legen[iii]?
Und wenn wir das tun, werden wir dann die Spur mit Jesus halten, obwohl es wahrhaftig beschwerlich ist?
Oder werden wir zurückblicken und lieber in unserm alten Trott bleiben, obwohl da, wo heute nicht umgebrochen und gepflügt wird, morgen nichts mehr gedeihen kann?
Werden wir trotz der Nachteile, der Einschränkungen, der Schwierigkeiten, der möglichen Stigmatisierung und schließlich der ungeahnten letzten Folgen einer Nachfolge Christinnen und Christen bleiben?
Werden wir als die Gemeinde Jesu Christi Seinen Weg zum Reich Gottes mitgehen?
Auch wenn wir dabei klagen müssten wie einst Jeremia? …
… Doch haben wir auch gehört, was er mitten in seiner Klage bekennt?
– „Aber der HERR ist bei mir wie ein starker Held ...“
Und ahnen wir, was das aus dem Mund des leidenden Propheten mitten in der Brutalität seiner Zeit und Welt und unserer Welt und Zeit bedeutet?
Ahnen wir, wohin uns die Nachfolge - wenn wir sie denn wählen - führen wird?
… „Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob!“ (Offenb.5,12)
Sollten alle Beschwerlichkeiten, alle Beschwerden und Kümmernisse der jetzigen Passionszeiten nicht dieses österliche Lied wert sein, … das Lied des Lammes, das die Überwinder singen werden am gläsernen Meer, mit Feuer vermengt (vgl. Offenb.15,2), wo klare Erkenntnis also und Leidenschaft verschmelzen, … das Lied des Lammes, das alle Überwinder zusammen singen werden mit Jeremia, dem es im Herzen brannte – wie den Emmaus-Jüngern (vgl. Lk.24,32)! –, als er Gottes nicht mehr gendenken und in Seinem Namen nicht mehr predigen wollte?!
Dahin kann man nachfolgen: Durch die Passion. … Durch die Zeit
Folgen auch wir!
Amen.
[i] https://www.theguardian.com/food/2025/mar/15/north-wales-chef-loses-appetite-for-difficult-diners
[ii] In der Vulgata heißt es schonungslos: „Seduxisti me Domine et seductus sum …“
[iii] Der Wochenspruch – „Wer die Hand an den Pflug legt und schaut zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“ – aus dem Evangelium dieses Sonntags (Lk.9,57 – 62) gibt dem gesamten Sonntag sein Gepräge.
Invokavit, 09.03.2026, Stadtkirche, Hebräer 4, 14 - 16, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth Invokavit - 9.III.2025
Hebräer 4, 14-16
Liebe Gemeinde!
Seit der Kreml in Washington steht und daher die Nachrichten dieser Welt kaum auszuhalten sind, … seit also das irdische Tagesgeschehen so rat- und trostlos macht, wie derzeit …, seit es - mit anderen Worten – nun wieder Passionszeit ist auf Erden, sind die Nachrichten von oben, die Taten im Himmel, die Zeitansagen aus der Ewigkeit umso wichtiger.
Weil das, was nicht die Präsidenten und die Diktatoren und alle ihre schmutzigen Mischformen anrichten, sondern der Sohn Gottes, … weil das die einzig gute Nachricht ist: Das „Eu“-Angelion! Und dieses „Evangelium“ ist nicht nur eine gute - sogar die beste! -, sondern auch eine große Nachricht … tatsächlich die Größte.
Es besagt in den unnachahmlich einfachen Worten des Hebräerbriefes, dass Jesus alle Weiten und Tiefen, alle Sphären und schwindelnden Distanzen der Himmel durchquert hat. … Und zwar nicht als ein Raumfahrer des Universums, der die Unendlichkeit durchmes-sen wollte, sondern als der Hohepriester für alle.
Der judenchristlichen Sicht und Seele des Hebräerbriefs steht bei diesen Worten der Hohepriester in Israel vor Augen, der alleine und stellvertretend für das ganze Volk den ernstesten aller Wege zurücklegen musste: Am Versöhnungstag, Jom Kippur – diesem alljährlich für jeden Israeliten konkret im Blut des Sühnopfers vorweggenommenen Tag des Todes und des Jüngsten Gerichtes (vgl. 3.Mose16, bes.V.17) – durchquerte der Hohepriester den geheiligten Bezirk des Tempels, wo die schönen Gottes-dienste des HERRN (vgl.Ps.27,4) Recht und Ordnung in der Welt bewirkten und bezeugten, … und ging noch weiter. … Schweigen senkte sich auf die Menge der Büßenden und Fastenden. Das Feuer auf dem Opferaltar wird der einzige Laut gewesen sein, wenn der Hohepriester da seine Schritte durch den angehaltenen Atem der Versammlung lenkte und sie alle – die Gemeinde, die Leviten, die den hochheiligen Dienst tuende Priesterordnung und die Ältesten – stumm zurückließ. Dann nämlich schlug er einmal im Jahr den dichten, sonst unangetasteten Vorhang zum Allerheiligsten zurück und er trat ein in die mystische Gegenwart Gottes in der unerblickten und undurchdringlichen Finsternis über der Bundeslade, um die Sühne dort in der gewaltigen Stille der unendlichen Nähe, der Präsenz des Ewigen zu kommunizieren am Thron der Gnade.
So schritt der Hohepriester durch die Welt der Profanität und alle Stufen der Liturgie, quer durch den Bezirk der kultischen Reinheit am Altar zuletzt hinein zu Gott.
… Auf einem geheimnisvollen Weg von hier nach da.
… Und Jesus genauso.
Von da nach hier: Aus der vollkommenen Schönheit und Klarheit der Gotteswirklichkeit durch alle Stufen des Himmels in die bitteren, schmerzhaften Konflikte und die brutalen menschlichen und menschheitlichen Katastrophen der irdischen Welt.
Jesus, der Hohepriester – das persönliche Bindeglied zwischen den Sündigen und ihrem Versöhner – schreitet durch die Himmel, … und läuft und wandert, stolpert und hinkt, wird schließlich gestoßen und dann entkräftet nur noch geschleift durch den Staub unseres Daseins.
Damit diese ganze Misere, diese Tragik und Bedrohung, die so viele Menschenleben prägen, nicht auch noch gottfreies Vakuum, eine Landschaft der Lieblosigkeit, mitleidsleere Wildnis seien!
Dafür ist der, Der aus Gott Selber kommt, in Dem Gott Selber kommt, nicht bloß vierzig Tage lang in alle Entbehrung und Anfechtung, in sämtliche grobe und feine Zermürbung, unter der Sterbliche leiden, getaucht, sondern in die radikalste und ungeschützteste und völlig unbegründete, aber buchstäblich auch grund- und bodenlose Verlorenheit, die Unrecht gegenüber der Unschuld, Verletzlichkeit, Verlassenheit und körperliche Qual dem Menschen zufügen können.
Doch gerade damit wird Trauma zum theologischen Thema.
Schmerzen isolieren nicht mehr nur, sondern in all ihrer fürchterlich unentrinnbaren Selbstbezogenheit führen sie trotzdem zu einer Inklusion in die weltweite Verheißung ihrer Heilbarkeit und eines endgültigen Trostes.
Und selbst Angst, Agonie und Endlichkeit bedeuten bei allem gnadenlosen Ausgeliefertsein an sie plötzlich und paradox die Erfahrung einer Gemeinsamkeit, … einer Gemeinsamkeit mit Gott! ——
An der Leidensfähigkeit und Leidensbereitschaft und zuletzt natürlich an der konkreten Leidenserfahrung Jesu entscheidet sich daher tatsächlich alles: Ob wir an einen Gott in der Wirklichkeit unserer illusionslos unbeschönigten Beschaffenheit als Erde, Staub und Asche glauben dürfen … oder ob’s um einen geht, der jenseits unsrer Welt, außerhalb des irdischen Lebens verharrt.
Dass Christus, der Hohepriester die Himmel durchschreitet und sich in das Reich des Berührbaren begibt, sich also ausliefert an die Antastbarkeit, die anfällig macht für Verwundung und schließlich die Gefahr der Zerstörbarkeit bedeutet, … dass Christus diesen umgekehrten priesterlichen Weg aus dem reinen Heil dort in die große Störung der Realität hier geht, ist das, was der Hebräerbrief uns als Grundlage aller Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch und damit aller menschlichen Hoffnung und endlich gottgewirkten Erlösung vor Augen hält.
Doch der Blick des Hebräerbriefes geht nicht nur diesem unfassbar weiten Weg aus der Höhe der Heiligkeit im Himmel nach, sondern er bohrt auch ganz tief. … Bis unter die Haut. … Bis in ein Herz, in das wir selten so unverhüllt blicken dürfen.
Er sagt uns nämlich, dass Jesus, der Sohn Gottes bei diesem schwindelerregenden Höhenverlust, bei diesem steilen Niedergang durch jenseitige Sphären, Zonen und Ebenen, die sich menschlicher Erfahrung entziehen, schließlich in unserm instabilen, störungsanfälligen Lebensraum Einflüssen ausgesetzt worden ist, die Ihn uns erschütternd ähnlich machten.
Was wir in der Erzählung des Evangelisten (Matth.4, 1-11) heute als die vergebliche Initiative des Störers und Zerstörers hörten, der von außen auf Jesus einstürmt und -flüstert und -schleimt, benennt der Hebräerbrief aus der Innenperspektive: Die aus der Balance geratene Menschenwirklichkeit, das gefährliche Durcheinander, in dem Gutes und Böses sich in einem wirbelnden Sog von Kraft und Anti-Kraft verquirlen, hat auch Jesus durcheinandergebracht. Er wurde in allem versucht wie wir!
Was aber dieser unterkühlt wirkende Satz tatsächlich an Explosivstoff enthält, ist kaum zu überschätzen: Das Böse hat nicht nur an Jesus herumgezüngelt und ihn aufgepeitscht umleckt wie die verderbenbringende Sturmflut den Leuchtturm. Die Gefahr blieb nicht bloß äußerlich. … Auch Jesus hat sie im Inneren erleben müssen! Genau wie wir.
… Der Zwiespalt wollte auch Ihn spalten. Dieser verfluchte, giftige, tödliche Zwiespalt, der in uns die Gestalt der fatal betrügerischen Einheit mit uns selber annimmt: Weil er uns immer und immer wieder nur spüren machen und glauben und beweisen lassen will, dass wir alles und noch viel mehr alleine können!!!
Das ist es ja, was wir an jedem Invokavit-Sonntag im Evangelium zu Beginn der Passionszeit hören: Dass Jesus verführt und verlockt werden sollte, zum endgültigen „Wie-Gott-Werden“ … Er, Der doch als Der aus dem Himmel in die Schwäche Gekommene Gott ist!
Er sollte in seiner menschlichen Wirklichkeit die einfachen Sätze, die wir sämtlich unsern Kindern beibringen, als wären sie nicht die Ur-Kunde des Teuflischen, bestätigen:
„Du kannst vollkommen selbständig für Dich sorgen! – Konsumier’ doch, was immer Du willst.
Du allein bist der Gipfel des Wertvollen! – Wenn Du willst, kannst Du sogar Gott zwingen, Sich zu Dir zu bekennen.
Dein Recht geht über alles! – Na, nimm schon endlich die Welt in Besitz.“
– Du bist autonom. – Du bist sakrosankt. – Du bist super im Superlativ.
Das ist die unveränderte, menschheitsalte Sirenenmelodie, die Adam und Eva und Adolf und Eva und uns alle in unserem Elend betören will, um das Menschengeschlecht zu verderben. … Zu verderben, indem dieses Selbstbewusstsein und dieses Selbstwertgefühl und diese Selbstherrlichkeit uns von unserer Herkunft und Bestimmung total abspalten.
Denn genau diese Versuchung – allein zu leben, alleine zu zählen, alleine zu herrschen! – … genau diese Versuchung ist der ewige Spalt, die Sünde, die uns in den Tod führt, weil sie uns diametral und abgründig tief von Gott fortreißt, Der Seinerseits von Anfang an mit uns leben, bei uns zählen und durch uns heilend, heilig, herrlich und Herrscher sein will.
Doch eben diese Kernspaltung, die das vollkommene Verderben auslöst, … diese innerste Spaltung zwischen Mensch und Gott ist in Jesus trotz aller seiner Auslieferung und Anfechtung und Verlassenheit und Verzweiflung niemals möglich gewesen – nicht in der Wüste, nicht in Gethsemane, nicht auf Golgatha, nicht im Reich des Todes.
In Ihm war diese Trennung, dieses Gegeneinander und Auseinander des Schöpfers und des Geschöpfes keinen Spaltbreit möglich.
In Ihm blieb trotz aller Versuchung eins, was für uns erst versöhnt werden muss.
Die Passionszeit beginnt wahrhaftig nicht umsonst immer mit dem Versuch des Versuchers, den Menschen Jesus und Gott zu trennen, und sie endet nicht umsonst mit der schweren, aber eindeutigen Stunde, in der dieser Mensch in Seiner völligen Anfechtung sich trotz allem sogar durch sich selbst nicht abbringen lässt von Gott: „Abba, mein Vater … nicht was ich will, sondern was Du willst!“ (Mk.14,36) ———
Das ist mehr Verbindung, mehr Übereinstimmung, mehr Ein-Verständnis und Einigung als wir uns vorstellen können, obwohl es das bei uns Christinnen und Christen in der Bindung an Christus durchaus immer wieder gibt:
Der vorgestrige Freitag erinnerte uns im kirchlichen Kalender an zwei der eindrucksvollsten und durch ein eigenhändiges Tagebuch aus ihrer Haft[i] bis heute persönlich zu uns sprechenden Märtyrerinnen der frühesten Christenheit - Perpetua und Felicitas -, die am 7.März 203 in Karthago ihren Glauben frohgemut mit dem Tod besiegelten.
Und in der Woche vor dem diesjährigen Palmsonntag, am 9.April werden wir an den ebenso unerschütterten Tod Dietrich Bonhoeffers vor 80 Jahren erinnert, der in seinen Aufzeichnungen aus der Todeszelle alle, die es aufgreifen, singen lässt: „Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand“ (EG 65,3 // 652, 3).
Doch auch wenn wir nicht den Heldenmut der freien Nordafrikanerin Perpetua und ihrer Freundin, der kurz vor der Hinrichtung noch frühzeitig von einer kleinen, überlebenden Tochter entbundenen Sklavin Felicitas haben oder wenn uns in unserer noch so unverbindlich bequemen Kultur des „Christ-Seins-oder-auch-nicht“ die Haltung und Zivilcourage Dietrich Bonhoeffers fehlen, so ist doch für unseren Freimut, unsere innere Gewissheit und sichere Zuversicht gesorgt, wenn wir einst Hilfe nötig haben werden.
Weil das, was der Weg des großen Hohenpriesters Jesus durch die Himmel bis in die abgrundtief menschliche Erfahrung der Versuchung für uns bedeutet, im Hebräerbrief in einem uns allen verständlichen Wort zusammengefasst ist: Dieser Weg Jesu aus Seinem Heil-sein in die Zerreißprobe unserer Sünde ist der Weg Seiner „Sym-Pathie“ … Seines aktiven, unendlichen, wirksamen, gültigen, rettenden Mit-Leids.
Jesus ist sym-pathisch! … Wer das für eine Nettigkeitserklärung hält, für eine weiche Floskel der Harmlosigkeit hält, muss nur ein einziges Mal im Ernst bedenken, was wir heute hörten:
Als der Vermittler, als der Versöhner, als der Hohepriester, der die Zwiegespaltenen, die von Gott Abgespaltenen in Gnade und Barmherzigkeit wieder in die Übereinstimmung, in die Einigung mit Gott einbinden will, ist Jesus vom Himmel in den Reißwolf nicht Seiner, aber unserer Sünde gegangen. Er hat das Leiden unserer Trennung von Gott – das Leiden unseres gescheiterten Allein-Lebens, das Leiden unseres hoffnungslosen Alleingeltungsdrangs, das Leiden unseres tödlichen Totalitätsanspruchs als Menschen – in Seiner Einheit mit Gott mit uns getragen, … Er hat es mit uns gelitten … und Er hat es für uns bestanden!
Seine Sympathie, Sein Sich-ganz-und-gar-Mittreffen-Lassen von unserer Sünde ist unsere Erlösung von ihr!
Wenn einer der einflussreichsten und illegitimsten Machtmenschen im neuen Kreml von Washington - Musk - daher tatsächlich kürzlich gesagt hat, die fundamentale Schwäche der westlichen Zivilisation sei die Empathie[ii], dann wissen wir, wer letztlich und zu Recht gemeint ist: Jesus, der große Hohepriester, Der nicht nur „Empathie“ - das „Einfühlen“ in fremdes Leid -, sondern menschheitsweite Sym-Pathie verkörpert: Das Teilhaben an allem Leid, um alle aus dem Zwang von Sünde und Leid zu befreien.
Treten wir also ebenso freimütig vor die Welt wie vor den Thron der Gnade mit dieser Nachricht aller Nachrichten: Unser Hohepriester hat Sich den Schwachen, die sich nicht helfen und verteidigen können, … denen, die nichts aufbieten und nichts anbieten können, … denen, die in ihrer ohnmächtigen Not alles nur brauchen, ohne irgendetwas zurückgeben zu können, an die Seite gestellt, weil Er ihnen und gerade damit genauso auch uns ganz gleich geworden ist.
Wer zu Ihm, … wer zu Jesus gehört, muss an diesem Bekenntnis festhalten!
Heute.
Und morgen.
Denn dadurch, nur dadurch werden wir Menschen alle Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden. In der Sym-Pathie Jesu! ——
Zu einem solchen, uns und die Welt rettenden Bekenntnis führe uns nun die diesjährige Passionszeit!
Amen.
[i] Gut greifbar sind die Aufzeichnungen der Perpetua und der Bericht des Herausgebers dieses einzigartigen Dokumentes in der Sammlung: „Ich bin Christ“ – Frühchristliche Martyrerakten, übertragen und erläutert v. Oda Hagemeyer, Düsseldorf 1961, S.90-110.
[ii] https://edition.cnn.com/2025/03/05/politics/elon-musk-rogan-interview-empathy-doge/index.html
Estomihi, 02.03.2025, Lukas 10,38-42, Tersteegenkirche, Horst Gieseler
Der heutige Predigttext "Maria und Martha" (Lukas 10, 38 - 42) ist wohl eine der am meisten missverstandenen Erzählungen des neuen Testaments. Und womöglich wurde sie auch für lange Zeit mit Absicht missverstanden. Prädikant Horst Gieseler zeigt in seiner heutigen Predigt auf, was wirklich dahinter steckt. Und was wir daraus für die Gegenwart mitnehmen können. Hören Sie doch mal rein in den Podcast aus der Tersteegenkirche!
Sexagesimae, 23.02.2025, Karnevalsgottesdienst, Mutterhauskirche, Krogull u. Heimann
In Abrahams Team spielen alle mit: Glaubensvielfalt ist der Hit! - Büttenpredigt von Pfarrer Krogull
Liebes Jeckenvolk hier in Kaiserswerth,
erzählen will ich euch von einem besonderen Gefährt:
Am Rosenmontag, da fährt es durch die Düsseldorfer Gassen:
Wer engstirnig ist, der kann das gar nicht fassen:
Dass mit einem gemeinsamen Karnevalswagen
auch die Religionen etwas zum Fest beitragen.
„Toleranzwagen“ hat Jaques Tilly sein Werk genannt.
Mittlerweile ist es in der ganzen Stadt bekannt.
Mit diesem Wagen werden Juden, Muslime und wir Christen
gemeinsam zu jecken Karnevalsspezialisten.
Gläubige aus der Kirche, der Synagoge und der Moschee
werfen Kamelle für den Frieden. Ist das nicht schee?
Ich find das super, denn das zeigt:
Wir sind einander zugeneigt.
Wir beten zu verschiedenen Zeiten,
und das tut unsere Herzen weiten.
Die Zuneigung bringt aber nicht nur unsere Herzen in Schwung.
Auch die Beine hält sie jung!
Ich denke an ein anderes Gemeinschafts-Projekt,
das die großen Religionen haben ausgeheckt.
Ein interreligiöses Fußballspiel!
Das klingt vielleicht nach nicht so viel…
Doch kommt mal vorbei und schaut es euch an,
wie man zur Ehre Gottes kicken kann.
Priester, Imame und Pfarrpersonen
pfeifen auf das Knochenschonen,
Ein jüdischer Trainer stellt uns auf:
An Himmelfahrt nimmt dieses Spektakel in Hassels seinen Lauf.
"Team Abraham“ heißt unsere bunte Truppe.
Gewinnen ist uns meistens schnuppe.
Der Gegner hat besseres Spielermaterial.
Gegen die Fortuna ist das Ergebnis oft eine Qual.
Doch auch ein 1-10 kann unseren Team-Spirit nicht trüben.
Wichtiger ist uns, gute Gemeinschaft einzuüben.
Denn die hat auch abseits des Fußball-Platzes Bestand.
Und Zusammenhalt ist wichtig in unserem Land.
Das Team Abraham ist dafür ein schönes Symbol.
Den Namenspatron, ihr kennt ihn wohl?
Den Abraham aus dem Alten Testament.
Wer ihn nicht kennt, hat in Reli gepennt!
Abraham, in seinem Namen sollen alle gesegnet sein:
Juden, Christen, Muslime: Ist das nicht fein?
Abraham, der Urvater der drei großen Religionen.
Er ist der Grund für unsere Gemeinschaftsaktionen.
Nachfolgen sollen wir seinen Spuren
und nicht verharren in den alten Strukturen.
Denn Abraham ließ sich von Gott in ein fremdes Land senden.
Neue Verheißungen sollte er suchen, alte Bindungen beenden.
Wie wäre es, wenn wir Gläubigen das auch heute probieren?
Es gibt viel zu gewinnen und wenig zu verlieren!
Die Ökumene kommt mir da als erstes in den Sinn.
So wie ich Jesus verstehe, ist sie die Königsdisziplin.
Denn bei Johannes 17 steht geschrieben:
Die Christen sollen die Einheit lieben.
Die Ökumene klappt ja auch an vielen Stellen.
Und doch gibt es noch ein paar Schwellen.
Da denke ich an die Eucharistie.
Kommt das gemeinsame Abendmahl denn nie?
Die Zeit ist reif für die ökumenische Feier.
Das lange Warten geht mir auf…den Geist!
Vielleicht geht es ja schneller mit den Gebäuden.
Lasst uns da keine Chance vergeuden!
Gemeinsame Kirchen, Gemeindehäuser in stereo.
Ich glaub, da wäre Jesus froh.
Und wir müssten da selber mal Toleranz wagen.
Die einen den Geruch von Weihrauch ertragen,
die anderen mal auf das Knien verzichten.
Ich bin mir sicher: das lässt sich einrichten.
Vielleicht kriegen wir ja sogar noch mehr Einheit hin.
Ein Beispiel aus Berlin geht mir nicht aus dem Sinn.
Das „House of one“ hat man dort gebaut.
Ein Gotteshaus für Christen, Juden und Muslime man sich dort traut.
Solche Projekte sind wichtig in diesen Zeiten,
wo manche möchten, dass wir uns streiten.
Wo viele Hass und Zwietracht stiften,
damit wir in den Faschismus driften.
Der Elon macht den Hitler-Gruß,
der Donald redet großen Stuss.
Die Alice will ein braunes Wunderland.
Ich wünschte, sie alle hielten ihren Rand!
Denn keine ihrer Stammtischparolen
wird uns aus den großen Problemen holen.
Der Frieden, die Wirtschaft und das Klima
werden nicht durch Extremismus prima.
Und auch die Frage der Sicherheit
löst man nicht im plumpen Streit.
Um Terroristen die rote Karte zu zeigen,
muss man kluge Politik betreiben.
So lasset uns beten an diesem Tag:
Für eine Wahl mit gutem Ertrag!
Für viele Menschen in den Wahllokalen.
Für Verständnis zwischen Erzrivalen.
Für Frieden und für Demokratie,
gegen Hass und Apathie.
Für Hoffnung in unseren dunklen Tagen,
damit wir Nächstenliebe wagen.
Karneval ist dafür ein guter Start!
Denn Lachen macht das Herz nicht hart.
Schunkeln – eine Übung in Verbundenheit.
Für ein paar Tage endet jeder Streit!
Wenn jetzt auch noch der Kölner versteht,
wie man Karneval richtig begeht,
Nicht mit Alaaf, das ist nicht schlau.
Hier endet die Toleranz, denn es heißt: Helau!
Lesungstexte aus der hebräischen und griechischen Bibel und dem Koran
Der HERR sagte zu Abram:
„Verlass dein Land, deine Verwandtschaft
und das Haus deines Vaters!
Geh in das Land, das ich dir zeigen werde.
Ich will dich zum Stammvater
eines großen Volkes machen.
Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen,
sodass du ein Segen sein wirst.
Ich werde segnen, die dich segnen.
Alle Völker der Erde sollen durch dich gesegnet werden.“ (Gen.12,1-3)
Petrus begann zu sprechen: Jetzt begreife ich wirklich, dass Gott nicht auf die Person sieht!
Wer ihn ehrt und das tut, was vor ihm recht ist,
den nimmt Gott an –
ganz gleich, aus welchem Volk er stammt.“ (Apg.10,34-35)
Paulus sagte auf dem Areopag in Athen:
„Gott hat aus einem einzigen Menschen die ganze Menschheit hervorgehen lassen,
damit sie die Erde bewohnt.
Für jedes Volk hat er festgesetzt, wie lange es bestehen und in welchen Grenzen es leben soll.
Er wollte, dass die Menschen nach ihm suchen –
ob sie ihn vielleicht spüren oder entdecken können.
Denn keinem von uns ist er fern.
Durch ihn leben wir doch, bewegen wir uns
und haben wir unser Dasein. (Apg.17,26-28a)
Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die Juden sind, und die Christen und die Sabier, alle die,
die an Gott und den jüngsten Tag glauben und Gutes tun, erhalten ihren Lohn bei ihrem Herrn,
sie haben nichts zu befürchten.
(Sure 2,62)
Jeder hat eine Richtung, zu der er sich wendet.
So eilt zu den guten Dingen um die Wette.
Wo immer ihr euch befindet,
Gott wird euch alle zusammenbringen.
Gott hat Macht zu allen Dingen.
(Sure 2,148)
Streitet mit den Leuten des Buches nur auf die beste Art, mit Ausnahme derer von ihnen, die Unrecht tun.
Und sagt: „Wir glauben an das,
was zu uns herabgesandt
und zu euch herabgesandt wurde.
Unser Gott und euer Gott ist einer.
Und ihm sind wir ergeben.“
(Sure 29,46)
Ein Blick durchs Kaleidoskop des Glaubens – Ein paar Gedanken zur Lesung von Pfarrerin Heimann
Drei Heilige Schriften – eine in Hebräisch, eine in Griechisch, eine in Arabisch geschrieben.
Drei Weltreligionen – Judentum, Christentum, Islam. Jede verwoben mit der Zeit ihrer Entstehung.
Jede mit einer sehr eigenen Geschichte, die von Schwierigkeiten erzählt, von Streitereien um den richtigen Glaubensweg, die richtige Auslegung der Traditionen, von Abspaltungen.
In jeder gibt es fundamentalistische Strömungen, die alle Andersdenkenden und Andersgläubigen ausgrenzen und immer wieder auch bis aufs Blut bekämpfen. Leider bis heute.
Was wiederum denjenigen in die Hände spielt, die die Religion missbrauchen, um unsere Gesellschaft zu spalten.
Dabei geht es doch in jeder echten Religion darum, den einzelnen Menschen in seinem Menschsein zu stärken, ihm Wert und Würde eines von Gott geschaffenen und gewollten Wesens zuzusprechen, das im Leben und über den Tod hinaus von Gott gehalten wird. Religion ruft zum Vertrauen auf, zum Glauben. Jeden Menschen in seiner Zeit, an seinem Ort, unter oft sehr schwierigen Umständen.
Jeder ist dabei unterwegs.
Mit Gott – und auch mit seinen Mitmenschen.
Unterwegs, um mit seinem Reden und Handeln dafür zu sorgen, dass diese Erde ein gutes Zuhause für alle Geschöpfe bleibt.
Das Urbild für die drei monotheistischen Religionen ist dabei Abram. Er ist nicht nur der Erz-Vater, sondern auch der Erz-Migrant: buchstäblich und im übertragenen Sinn.
Er verlässt seine Heimat und damit begibt er sich auch im Glauben, im Vertrauen auf Gott auf einen Weg, dessen Ziel und Ende er nicht kennt.
Jeder Lebensweg ist bei genauer Betrachtung ein Weg ins Unbekannte.
Aber jeder Weg ist ein Weg unter dem einen Himmel Gottes, der will, dass jedes Leben glückt und sich erfüllt.
Jedes Leben zu seiner Zeit, unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, geprägt von anderen Erfahrungen.
Verschiedenheit ist von Anfang an von Gott gewollt.
Veränderung, Wandel, Vielfalt – sie sind geradezu zwingend nötig, wenn wir Schritt halten wollen mit Gott, der selbst unterwegs ist: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ „Keinem von uns ist Gott fern.“ Heißt es in der Rede des Paulus. „Gott wollte, dass die Menschen nach ihm suchen – ob sie ihn vielleicht spüren und entdecken können.“
Wir sind alle miteinander unterwegs und Suchende.
Und da, wo wir jeweils meinen, etwas Gutes und Hilfreiches entdeckt zu haben – von Gott und seinem Heilswillen, - da sollten wir es ins Gespräch bringen mit Menschen anderer Religion, die ebenfalls unterwegs und Suchende sind. Religionsübergreifende Weggefährten – das sollten alle echten Gläubigen sein, gerade in diesen konfliktreichen Zeiten. Verbunden in dem Geist, der sich in Sure 2,148 zu Wort gemeldet hat: „Jeder hat eine Richtung, zu der er sich wendet. (und das ist gut so!). So eilt zu den guten Dingen um die Wette (spornt euch gegenseitig an, das Beste eurer Tradition, eurer Religion weiterzuentwickeln, zum Besten aller Geschöpfe auf dieser Erde!). Wo immer ihr euch befindet, Gott wird euch alle zusammenbringen.“
Sexagesimae, 23.02.2025, Stadtkirche, Apostelgeschichte 16, 9 - 15, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth Sexagesimæ - 23.II.2025
Apostelgeschichte 16, 9 - 15
Liebe Gemeinde!
… Ein hilfsbedürftiger Kontinent.
… Ein jammernder Erdteil, der von auswärts erfleht, was ihn retten kann.
… Ein Erdteil, der nicht irgendwie beständig aus sich selbst und seinen stofflichen oder geistlichen Wurzeln lebt, sondern voller Umwälzung und Instabilität, voller Expansion und Migration ist: Das verraten die wenigen Details, mit denen dieser Kontinent in unserm heutigen Predigttext in der neutestamentlichen Heilsgeschichte auftaucht.
„Makedonien“ wird sein Rand genannt. – Nicht das große Rom, für das das Neue Testament keine pietätvollen Bezeichnungen hat, … nicht das glanzvolle und uns heiter vorschwebende Griechenland gibt diesem fremden Teil der Erde hier seinen Namen, sondern eine kargere Landschaft und ein rauerer Menschenschlag, die in der Antike nach Barbaren und in unseren Ohren nach Balkan klingen. „Makedonien“: Weltmachthungriges Zwergvolk, aus dem Alexander bis nach Indien ausgriff und doch keine bleibende Weltordnung etablierte. „Makedonien“, wilde Grenze Europas, in dem die uralten Kulturen des Zweistromlandes und Ägyptens, wo Staatlichkeit und Schrift und Wissenschaft - kurzum die Zivilisation - ihre unvordenklichen Wurzeln haben, nur möchtegerne Neu-Reiche sehen konnten. … Da heißen die Städte nicht „Ur“, wie die Heimat Abrahams an der Wiege der Kultur, sondern Neapolis - „Neustadt“, oder eben nach dem makedonischen Philipp, wobei auch dieses Philippi von Lukas lapidar als „κολωνία“, römischer Außenposten also charakterisiert wird: Nicht ganz ernst zu nehmen. … „Kολωνία“ … „Köln“ eben. …
In diesen Westen, der weit von der morgenländischen Welt Abrahams, Israels, Davids, Jesajas, Marias und Jesu entfernt ist, … in dieses Europa, dessen Hilfsbedürftigkeit und Angewiesensein auf rat- und tatkräftige Unterstützung von jenseits seiner Ufer wir allzu scharf auch heute erkennen müssen, … in dieses Abendland ruft ein Nachtgesicht den vierzehnten Apostel - Paulus -, der anders als die galiläischen Zwölf keine Scheu vor Heiden und Barbaren kennt.
Und der Gerufene kommt. Segelt durch die Ägäis auf uns zu. … Wie viele, viele andere es auch in diesen Tagen tun, in denen Europa seine hoffnungslose Überfüllung durch zu viele beklagt und seine noch hoffnungslosere Verlassenheit von vielen anderen erleidet.
Wir sollten darum gut darauf achten, was die Bibel uns zu sagen hat von der ersten europäischen Enklave, in der ein Häuflein weniger Randfiguren die Keimzelle dessen wird, was nun vergeht: Getauftes Abendland, … Erdteil, der nach Jesus Christus rief.
Das Erste, was uns von unseren Anfängen erzählt wird, ist dass ein Mann bettelte und eine Frau dort zur Stelle war, wo der rufende Kontinent seine erste Entscheidung treffen musste.
Nicht weil Frauen die besseren Menschen oder Christenmenschen oder Abendlandvertreterinnen wären. Aber doch ganz bewusst biblisch als Ausdruck der gegenseitigen Gemeinschaft, der wurzelhaften Zusammengehörigkeit der Geschlechter. Das soll Europa sein!
Und dann ist diese Frau, die erste Christin Europas, die Schutzpatronin aller späteren abendländischen Gemeinden, … dann ist diese Lydia also eine Frau, der nicht der enge, sondern der weite Horizont entspricht. Sie ist nicht häuslich, sondern treibt ein Gewerbe. Sie lebt nicht vom Vertrauten, sondern vom Unbekannten. Der Purpur, mit dem Lydia handelt, wird auf abenteuerliche Weise durch Taucher gewonnen, die Meeresschnecken sammeln, die die weitbegehrte Luxusfarbe absondern. Doch nicht nur geschäftlich, sondern mehr noch geistlich hat Lydia – deren Name ihre Herkunft aus Kleinasien verrät – keine Berührungsängste mit dem Fremden und Rätselhaften. Sie muss am Gestade Europas eine eigenwillige Neugier, aus der vielleicht schon Bindung geworden ist, erfahren haben: Neugier auf den seltsam unsichtbaren, seltsam zurückhaltenden Gott des Volkes Israel, Der nicht von allen überall, sondern bisher nur von einem verachteten winzigen Volk zwischen dem Mittelmeer und dem Jordanfluß – “from the river to the sea” - Dienst, Ehre, Treue und Vertrauen verlangte. … Zu diesem Gott beten die Frauen vor dem Stadttor von Philippi am Fluss: Die typische, improvisierte Versammlung derer, die ohne eine Synagogengemeinde zu sein, doch dem Gott Israels und folglich auch Seinem Volk in Lesung und Anrufung, seelisch also und womöglich auch praktisch verbunden waren.
Das ist das Zweite, was sich über Europa im Evangelium findet: Das Heil beginnt dort mit der inneren Nähe, ja freiwilligen Bindung an den Bund zwischen Gott und der jüdischen Wirklichkeit (vgl. Joh.4,22!). Das christliche Abendland lebt also immer schon von Voraussetzungen, die es selbst nicht schaffen konnte und die es nicht einmal selber verkörpert!
Und dann das Dritte, was ursprünglich und auch endgültig von der Rettung Europas gilt: Die Frau mit dem weiten Horizont und der starken Persönlichkeit, die sich und ihre judenfreundlichen, kleinasiatischen und makedonischen Glaubensschwestern, deren Vorsteherin sie irgendwie gewesen zu sein scheint, von fremder Gnade und ferner Wahrheit angesprochen sein ließ, indem sie sich zur Torah hielten in einer Welt, der die Bibel Israels noch ferner lag als unserer religiös vollkommen dumpfen Gegenwart, … diese Frau hat sich trotz all ihres Weitblicks und aller Weite ihres Herzens nicht selbst christianisiert. Diese Erste in der Reihe der christlichen Europäerinnen und Europäer wurde nicht durch eigenes Verdienst und Würdigkeit gerettet … und wir werden es auch nicht! … Der HERR war es, Der Lydia das Herz auftat!
Das ist die wichtigste Botschaft, die am Beginn steht, damals als das Evangelium anfing, Grenzen zu überschreiten, Menschen, Sprachen, Völker und Kulturen zu verbinden nicht nur in Jerusalem, dem Mittelpunkt der Bibel, an dem sich alle treffen sollen (vgl. Ps.122,3 / Apg.2), sondern an allen Orten auf der Weltkarte, wo sie jeweils zuhause sein mögen. Es ist die Botschaft, dass Gott Selber da den Kreis weitet, dass Er die Wege zieht und die Wunder tut … und die Wahl trifft, weil Sein Wort nicht wieder leer zu Ihm zurückkommen, sondern ausrichten wird, was Er will (vgl. Jes.55,11).
Das sollten wir uns alle seit diesem Anfang in Philippi, am Rande unseres Kontinentes sagen lassen: Die Geschichte, aus der wir kommen, die Tradition, in der wir stehen, die Hoffnung, die in uns geweckt ist und die Freude unseres Glaubens sind nicht unser Werk und verdanken sich in keiner Weise uns. Wo immer man hört, sagt oder denkt, dass wir uns etwas auf unser Christentum zugutehalten könnten, … wo immer das Christliche zu einem Recht oder einem Anspruch wird, … wo immer wir uns einbilden, es wäre überhaupt angemessen, von „unserem“ Christsein zu sprechen, als wäre das ein Besitz oder als sei das unsere persönliche und private Identität: Da hat es schon aufgehört. Da ist das Wunder schon wieder erloschen und Gott schon weitergegangen.
Dass wir Christen sind, … dass wir zur Kirche gehören, … dass uns das Evangelium gesagt ist, … dass wir durch die Taufe neu geboren und von Schuld, von Tod und Hoffnungslosigkeit befreit werden, … dass wir uns in unseren Erfahrungen, Erleuchtungen und Erlebnissen Gottes Heiligem Geist anvertrauen können, … dass wir beten dürfen zu „unserm Vater im Himmel“, … dass wir das Leben und die Liebe Jesu Christi in unserem eigenen Dasein im Abendmahl als Kraft und Wirklichkeit empfangen dürfen, … dass wir von unseren Begrenzungen im Fühlen und Denken und Erwarten also seelisch und leiblich gelöst und in das Große, Ganze, Bleibende eingebunden sind … alles das ist nicht unsere natürliche Ausstattung oder Möglichkeit!
So oft in diesem Katalog der Gaben und der Gnaden auch das Wörtchen „uns“ und die Näherbestimmung „unser eigenes“ vorkam, so ganz und gar ist doch nichts davon in irgendeiner Weise Ausdruck oder Wirkung dessen, was wir sind:
Wir kommen nicht als Christen zur Welt, … wir verfassen nicht das Wort, das Gott zu sagen hat, … wir sind nicht unsere eignen Täufer und Erneuerer, … wir können uns nicht selbst mit Geist erfüllen, … können uns auf Erden und im Himmel unsern Ursprung und unsere Bestimmung nicht alleine aussuchen, … werden niemals etwas essen, trinken und uns als Nahrung anverwandeln, das neben unseren stofflichen Gefäßen auch unsere Seele füllt und heilt, … wie werden nie auf biologischem oder auch nur logischem Weg über uns selbst hinaus und in die Wirklichkeit hineinwachsen, die weder von Endlichkeit noch Einzelheit mehr beherrscht ist.
… Wir „sind“ keine Christen und das Christentum ist nicht „unseres“.
… Wir werden es vielmehr, … wenn, weil und wo Gott es will. ———
Für eine Welt, in der alles sich um die Selbstverwirklichung und das Selbstbewusstsein, um Selbstwert und Selbständigkeit, um Selbstbestimmung und - mit Verlaub - um alle Formen der Selbstbefriedigung und Selbstvergötzung und Selbsterlösung dreht, ist das eine ziemlich befremdliche Grundbotschaft.
… So befremdlich, dass wir vielleicht doch – jetzt, da das Christentum längst nicht mehr dominiert und auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist und seinen Sinn und Nutzen eigentlich also von vorne beweisen sollte – … so dass wir uns vielleicht also doch fragen müssten und auch fragen dürfen, ob dieses Christentum nicht auch ebenso gut an der makedonischen Küste hätte hängen bleiben oder nach einem kurzen Aufflackern in Philippi ruhig wieder hätte verwehen und zurück in den asiatischen Raum fließen können, in dem die alten Weisheiten und Wahrheiten und Wirklichkeiten manchmal zäh und meistens unbeklagt versickern, ohne uns Menschen des Westens, der Neuzeit, der kurzen, eigenmächtigen Spanne des Hier-und-Jetzt-Lebens zu beeinträchtigen.
Was hat das Christentum denn eigentlich hier nach Europa gebracht, wenn es nicht uns verherrlicht, stärkt und bestätigt? …….
Kehren wir zu dem winzigen, zentralen Verslein zurück, das heute im Hintergrund und Zentrum aller Predigtbemühungen steht:
Der HERR tat der Lydia das Herz auf.
In diesem Vers steckt ein Geheimnis, das ärgerlich und zugleich unendlich befreiend ist und uns überdies als Freiheit wie als Ärgernis verpflichtet: In Gottes Wirken durch Sein Wort, findet auch Gottes Wahl statt!
Dass Lydia achthatte auf die Botschaft des Paulus, das geschah nach dem ausdrücklichen Zeugnis der Apostelgeschichte, der Gründungsurkunde aller christlichen Mission, weil Gott es ermöglichte. Weil Er es wollte!
„Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt“: So beschreibt Jesus (Joh.15,16) diese Grundtatsache, dass wir uns nichts einbilden und nichts anmaßen und nichts beanspruchen und nichts beherrschen können in Sachen unseres christlichen Glaubens.
Ein offenes Herz und einen hörenden Geist, eine empfängliche Seele und ein treffendes Wort verdankt niemand seiner eigenen Eignung, Neigung oder Leistung. … Wenn und wo es Gott gefällt, geschieht es: Da hören und verstehen, da erwachen und da glühen, da glauben, hoffen und lieben Menschen. Da lässt Lydia sich taufen und entsteht eine Gemeinde in Philippi, da breitet das Evangelium sich aus durch ganz Europa, da entsteht und da besteht die Kirche. … Wenn, wann, wo und wie Gott es wählt!
Das Ärgernis ist uns sofort wieder deutlich: Gottes Wahl erscheint uns unerklärlich und ungerecht. Der Gedanke einer solchen Gnaden-Wahl triggert immer wieder unser Misstrauen, unseren gekränkten Stolz und unser kindlich trotzig-neugieriges Beharren darauf, dass nichts sein darf, was wir nicht unmittelbar nachvollziehen und nur dann gutheißen können.
Im gleichen Aufwallen aller unserer Widerstände gegen solche Entmündigung und Unfreiheit bricht aber auch das Bewusstsein durch, wie es den Druck und die Verbissenheit aus aller Mission und auch aus allem eigenen Christsein und Christsein-Mögen, Christsein-Müssen nimmt, dass es nicht an unserem Wollen und Laufen liegt (vgl. Rö.9, 16), sondern an Gottes erbarmendem Ratschluss, wenn eine Lydia oder Du oder die da oder sogar ich an Ihn glauben darf und kann. ——
Natürlich werden wir den Widerspruch zwischen dem echten Anstoß und der echten Erleichterung, dass weder Paulus noch Lydia, sondern allein Gott den Anfang des Glaubens in Europa und sein Ziel bestimmt, heute nicht auflösen.
Die doppelte Wahrheit, dass die Wahl und Gnade Gottes uns zugleich empört - weil wir alles nicht alleine machen sollen - und erlöst - weil wir alles nicht alleine machen müssen -, bedeutet für uns heute, an einem Tag, an dem auch wir wählen dürfen, allerdings schlicht dreierlei:
Die einfache und doch auch politisch so fatal ins Giftige verkehrte und verdrängte Erinnerung daran, dass eine Wahl als Entscheidung „für“ Jemanden oder Etwas und nicht als „Nein“-Stimme fällt.
Zweitens bedeutet die Begegnung mit der Wahrheit, dass Gott uns wählt und nicht wir selbst, dass alle, die auch irdisch am Wählen teilnehmen dürfen – zur Wahl sich stellend und berufen zum Wählen – … dass alle also erinnert werden: Gewählt zu sein, bedeutet nicht für sich selbst zu sprechen, zu handeln und zu entscheiden, bedeutet nicht Selbstherrlichkeit oder Selbstverwirklichung, sondern die Verpflichtung dem Willen und Wohl anderer zu dienen.
Drittens aber und zuletzt: Wenn wir hier in der Kirche zusammen sind, in der Gemeinschaft der Heiligen, die der Heilige Geist berufen hat, und wenn uns in Herz und Verstand die von uns nicht zu erzwingende Möglichkeit gegeben ist, an Jesus Christus als den Herrn zu glauben, dann erleben wir eine Wahl … eine Wahl, bei der wir die Erwählten sind. Eine Wahl, die uns vom Druck unbedingten Zweifelns wie unbedingten Glaubenszwangs befreit und die uns nur daran bindet, dass wir weder als Zweifelnde, noch als Gläubige uns selber verherrlichen, sondern Den, Der in Nord und Süd und Ost und West Seinen barmherzigen Ratschluss für die Menschen verfolgt.
Möge Er uns helfen, dass unser Land und Erdteil, vom makedonischen Osten bis zur irischen Atlantikküste eine Welt der Wahl bleibt … der Wahl als Ausdruck echter Freiheit, als Verpflichtung zum Für-Sein, nicht zum Gegen-Sein und als Entlastung vom Alles-Alleine-Sein!
Und möge Gott uns geben, dass wir Menschen Ihm, Der uns erwählt hat, und Seinem Wort und Willen auf allen Kontinenten und in jedem Herzen, das Er berührt und auftut, die Ehre geben wie Lydia und alle, die von Anbeginn der Welt zu Seiner Herrlichkeit berufen und erwählt sind!
Amen.
Tag der Darstellung des Herrn, 02.02.2025, Stadtkirche, Johannes 8,12, Jonas Marquardt
Predigt Kaiserswerth Tag der Darstellung des Herrn – 2.II.2025
Lukas 2,22 -35 / Johannes 8,12
Liebe Gemeinde!
Vierzig Tage: Später wird Er so lange fasten. In der Wüste. Vom Teufel aufgespürt und angesprochen.
Vierzig Tage: Später wird Er so lange noch einmal bei ihnen sein, nachdem der Tod durch Menschenhand Ihn zerstört und Gott Ihn und die Menschen nicht dem Tod überlassen hat.
Vierzig Tage: Seine ersten vierzig waren es jetzt. Was die bedeuten, kann man gar nicht sagen … außer dass Er noch lebt, was bei einem Säugling, der unterwegs in einer Höhle zu Bethlehem auf die Welt kam, alles andere als selbstverständlich ist … zumal der Tod durch Menschenhand Ihm sehr bald nachstellen wird: … Herodes hat den Tod schon beschlossen. Die ausländischen Hellseher sind wieder in Richtung des Sonnenaufgangs heimgezogen. Die Truppen der Kindermörder ziehen sich zusammen. Nacht wird’s wieder über Bethlehem. Aber nicht die heilige, sondern die bittere des Mordes und des Klagens. … Ach, Rahel (vgl. Matth.2,17 / Jer.31,15)!
Vierzig Tage seit Weihnachten … und schon wieder das alte Lied des Heulens um die Unschuldigen.
Und das Kind, durch das allem Volk Freude widerfahren und Friede auf Erden werden soll und den Menschen ein Wohlgefallen verheißen ist (vgl. Lk.2,14), … dieses Kind ist erst vierzig Tage alt und wird durch die Strapazen seiner jungen Mutter und das Elend seines ersten Erdenmonats unterernährt und schwächlich sein und hilflos und im Vergleich zum mickrigen Geburtsgewicht kaum zugenommen haben.
– Was für eine glanzlose Mündung der kerzenhellen, hoffnungsschimmernden Weihnachtszeit ins schlammige Delta der weltgeschichtlichen Brutalität und Banalität! ——
… Und doch hat die Kirche ein Lichterfest ans Ende der Weihnachtsvierzig gesetzt, wenn in anderen Jahren schon die Fastenvierzig anfangen: Genau auf den Tag, an dem Jesus nach biblischem Recht als Erstgeborener im Tempel ausgelöst wurde (vgl. 2.Mose13,13) und Maria vom physisch kritischen Ausnahmezustand der Wöchnerin wieder in die als Reinheit erfahrene Normalität außerhalb der akuten Lebensgefahr für Mutter und Kind eintrat (vgl. 3.Mose12).
… Ein Lichterfest also, weil ein Säugling die Kindersterblichkeit des Anfangs und eine blutjunge Mutter das Drama des Gebärens und der ersten Stillzeit überstanden haben?
… Nein. Noch schlichter. Und tiefer.
Es ist ein Lichterfest geworden, in dem der Weihnachtsglanz mit dem Grau allen Alltags verschmilzt, weil zwei hochbetagte Menschen – Menschen, die keine eigene Zukunft mehr hier, in der Zeit haben – die Mutter und das Kind erwarteten und weil der greise Simeon dabei den Lobgesang der Sterblichen, aller Sterblichen im Grau und Dunkel dieser Welt anstimmte: „Dieses Kind ist das Licht, das alle Völker erleuchtet und Israel in ihrer Mitte“.
Ein Lichterfest ist diese Darstellung des kleinen Jesus im großen Haus Gottes, das noch knapp eine Generation lang stehen wird, ehe die Römer es in Schutt und Asche legen, … ein Lichterfest ist diese Begegnung zwischen der verlöschenden Generation der Uralten und dem aufflackernden Leben des Frischgeborenen, weil das eben das ganze Geheimnis und die ganze Offenbarung Christi ist: Er, der Sohn Gottes ist in die Wirklichkeit gekommen!
Und umgekehrt auch: Hier, in diese Wirklichkeit aus Grau und Grauen, hier in diese Wirklichkeit aus Hoffnung und Tod ist wahrhaftig der Sohn Gottes gekommen!
Das mag uns erst einmal bescheiden vorkommen.
Weihnachten - zumal wie wir es feiern - hatte uns vielleicht größere, glitzerndere Entwicklungen annehmen lassen. Und nun, nach vierzig Tagen, wenn wir den Schmuck nicht mehr sehen können und der Baum nur noch kahl erscheint und selbst der Stern verblasst wirkt, ist kein schöner Szenenwechsel wie auf den barocken Bühnen eingetreten. Da schiebt man einfach die öde Kulisse der Wildnis, in der der Held oder die Heldin der Oper gefangen oder verirrt waren, beiseite, kurbelt an den Winden, lässt eine bunt bemalte Hintergrundleinwand herab und voilà!, die heitere Schäferlandschaft, in der alles sich verwandelt, alles wieder gut wird und das Drama sich auflöst, ist mühelos und täuschend echt erschienen: Finale mit Schlusschor.
Während bei uns im Drama des Kirchenjahres, im Drama des Glaubens das Schäferspiel von Christi Geburt ohne furiosen Erlösungszauber endet: Simeon wird immer noch sterben. Jesus wird immer noch von Herodes gejagt und von Pilatus gefangen werden. Durch die Seele Marias wird immer noch jenes Schwert dringen, von dem der lobpreisende und widerstandslose Todeskandidat mit ihrem Jungen auf dem Arm ihr geweissagt hat (vgl. Lk.2,35).
Warum ist das so?
– Noch einmal. … Weil das Geheimnis und die Offenbarung Jesu Christi dies ist: ER ist in die Wirklichkeit gekommen! Die Welt mit allen ihren Schicksalen und ihren sämtlichen Schatten ist Sein Ort!
Wir müssen das so betonen, weil wir nur so das bleibende, die Weihnachtszeit, die Passionszeit, die österliche und die pfingstliche, … ja überhaupt alle Zeit übertreffende Mysterium erfassen können, das uns heute begegnet: Dass die Herrlichkeit Jesu nichts Einzelnes und noch viel weniger nur etwas Besonderes ist. Dass die Bedeutung dieses Jesus Christus nicht an individuellen Zügen oder Taten oder Ereignissen seines Wesens und Lebens festgemacht werden will und dass wir Ihn nicht erkannt haben, wenn wir etwa die Höhe- oder Tiefpunkte im Bericht Seines biographischen Gangs von der Geburt bis zur Kreuzigung oder von der Verkündigung Seiner Empfängnis bis zu Seiner Auferstehung und Himmelfahrt meditiert haben, um den Rahmen, den die Evangelien spannen, voll auszumessen.
Jesus ist - ob man es glaubt oder nicht - tatsächlich weniger und Jesus ist - ob man es glaubt oder nicht - wahrhaftig mehr als alles, was wir gesondert aufzählen und alles, was wir mit Bestimmtheit erzählen können von Ihm und Seiner Geschichte. Weil Er das ist, was der wohl beinah fast erblindete Simeon, den wir eben dennoch einen „Seher“ nennen sollten, in Ihm erfasste: „Licht!“ ——
Versuchen wir auch hier - so wie nach Möglichkeit immer -, das Gehörte wörtlich aufzufassen:
Was ist denn das Licht?
Das Licht ist nichts Einzelnes. Das Licht ist nichts Abgegrenztes. Das Licht ist nichts von allen Erscheinungen Ablösbares, … nichts, das man aus hellen oder dunklen Szenen sauber herausfiltern und peinlich genau unterscheiden könnte, … nichts, das wir abstrakt an sich, aber auch nichts, das wir konkret veranschaulicht vom Hintergrund, vom Horizont, vom Hohen, vom Tiefen, von Farbe oder Schatten zu isolieren vermöchten.
Licht ist allgegenwärtig. Und wird darum vollständig übersehen.
Licht ist in seiner überwältigenden Unersetzlichkeit und seiner abgestuften Unscheinbarkeit der Träger aller unserer Eindrücke und zugleich das missachteteste aller Wunder.
Licht ist das, was alles offenbart und gerade darin vollkommen verschwindet.
Licht bringt uns die ganze Welt nahe und bleibt in diesem selbstlosen Dienst gänzlich unfassbar.
Wenn wir das Licht allein hätten, verginge uns das Sehen und Erkennen ebenso, wie es ohne das Licht nicht die allergeringste Sicht und Einsicht gäbe. Ein unlösbares Band verknüpft für uns den äußeren und inneren Kosmos mit dem Licht, obwohl sie beileibe nicht identisch sind.
Und wenn wir das Licht im Geist der Wissenschaft dingfest machen, sein Wesen analysieren, seine Essenz bestimmen wollen, dann stehen wir seit dem 20.Jahrhundert vor einem der größten Paradoxe der vermeintlich auf Widerspruchsfreiheit gegründeten physikalischen Weltanschauung: Es hat zwei Naturen. Licht ist Teilchen und Welle. ……. ———
Was ist das Licht? …
„Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen“, betet Simeon, der darum nun seine Augen im Frieden wird schließen können. „Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen, welchen Du bereitet hast vor allen Völkern. Ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis Deines Volkes Israel“ (Lk.2, 29-32).
Wer aber ist denn der Heiland? Seit Er aus der Höhle von Bethlehem in den Tempel Jerusalems getragen wurde, ist Er aus der Verborgenheit an den Ort der Gegenwart schlechthin - der Gottesgegenwart! - gekommen und bleibt doch der vollständig Übersehene.
Wie Simeon es empfand, ist Er überwältigend – nimmt Er doch sogar dem Alleszermalmer, dem Tod die Macht und den Schrecken! –, und trotzdem geht’s mit Ihm unscheinbar und schließlich so missachtet weiter (vgl. Jes53,2f), dass man vor Dem, an und in Dem man den unsichtbaren Vater in Seiner Herrlichkeit mit eigenen Augen sehen könnte (vgl. Joh14,9 / Kol.1,15 / 2.Kor.4,6) das Antlitz verbarg und wegschaute (vgl. Jes.53,3)!
Der Heiland, Der einerseits in Seinem Fleisch den Abglanz Gottes offenbart (vgl.1.Tim.3,16 / Hebr.1,3), entäußert sich darin doch gerade selbst und verschwindet in der Knechtsgestalt des Menschlichen (vgl. Phil.2,7).
Alles deckt Er auf - sogar die in den Herzen verborgenen Gedanken, wie ebenfalls Simeon sagt (vgl. Lk.2,35!) - und ist doch in dieser Allklarheit Der, Der vollkommen unerkannt dienen will und sein Leben zur Erlösung für Viele gibt (vgl.Mk.10,45).
Und nach Seinem höchsten, verklärten Aufstrahlen, das doch die Jünger vollkommen überforderte, sahen sie nur das für sie ganz Gewöhnliche, … das allein Nötige: Sie sahen niemand als Jesus allein (vgl. Matth.17,8).
Wenn wir aber fragen, was Er denn nun ist – himmlisch oder irdisch?, geiststofflich oder sterbliches Fleisch? –, dann erfahren wir bei allen, die uns Antwort geben, ebenfalls das allergrößte Paradox: Beides nämlich; …. Gott ist Er und Mensch! ———
Und auch wenn wir uns nur auf einem oder gar auf keinem dieser Gebiete bloß ein wenig Verstand zutrauen sollten, erkennen wir doch - wie unbeholfen die wechselseitige Beleuchtung auch immer war –, dass Quantenphysik und Christologie sich hier gegenseitig erhellen und ihre sonderbare Übereinstimmung die gemeinsame Relevanz und Logik des Forscher-, wie des Glaubensblickes aufdeckt: Das Licht und der Heiland sind sich ähnlich und einig in einer Weise, die weder die Apostel des Neuen Testaments noch die Physiker des großen nach-klassischen Paradigmenwechsels der Naturwissenschaft alleine für sich hätten fassen können und sollen. Das Wesentliche entzieht sich unserm Fassungsvermögen, weil es zwar in allem begegnet, was wir erkennen, aber doch anders ist, als wir entscheiden können.
Und darum ist der Satz, der heute, am volkstümlich „Lichtmess“ genannten Tag eigentlich der Predigttext ist, einerseits so tiefvertraut, dass er fast unspektakulär wirkt – was ja nichts anderes als „unansehnlich“ oder „uneinsehbar“ heißt –, und andererseits stellt dieser eine Vers den völligen Gipfelsatz allen Zeugnisses von Christus dar.
Bei unzähligen Taufen haben wir diesen Satz hier schon gehört, gesprochen und in einer unbekümmert personalisierten Taufkerze veranschaulicht gesehen:
„Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt.
Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
Dieser Satz ist vor lauter Verwendung und Gebrauch beinah unsichtbar, … geruch-, farb- und geschmacklos wie das Licht selbst. Und er fällt im Johannesevangelium ja auch an keiner hervorgehoben feierlichen Stelle, sondern in den nickeligen Diskussionen, zu denen Jesu Heilung eines Blindgeborenen führt.
Da hat Jesus noch nicht die Welt erschüttert, noch nicht den Tod oder den Teufel besiegt. Da ist alles noch durchwachsene Alltagswirklichkeit, in der neben den faden Grundtönen hier und da Heilungsblitze aufleuchten. Aber es ist eben unsere nüchterne Erfahrung, in der Unschuldige grundlos leiden, weil sie mit körperlichen Gebrechen oder ungerechten Gewalten ringen müssen. Und in diese ordinäre Realität, in diese Momentaufnahme des meistens glanzlosen, oft schatten- und schadenreichen Daseins hinein geschieht ein Einzelwunder und klingt ein Ewigkeitswort.
Denn dieses „Ich bin“: Das allein ist ja schon, wie wir seit der Offenbarung wissen, die der HERR im brennenden Dornbusch Moses zuteilwerden ließ (vgl. 2.Mose 3,14), nichts anderes als der Name Gottes.
Und dieses „das Licht“: Das ist doch die Grundtat aller Schöpfung Gottes, die damit anhebt, dass Er eben dieses ruft und Es hervortritt: „Es werde Licht“ (1.Mose1,2).
Und so sagt Jesus in die Wirklichkeit hinein, dass Gott und Gottes Schöpfung in Ihm da sind.
Gott bin Ich und Schöpfung, sagt dieses „Ich bin das Licht der Welt“.
So dass uns dämmert - wirklich aber höchstens dämmert, aber doch eben wahrlich dämmert und also immer heller wird! -, dass Weihnachten nicht vor vierzig Tagen war, sondern dass es im Urknall geschah, als Gott im Licht den Sohn gezeugt hat.
Und dass Weihnachten nie aufhört, weil die Allgegenwart des Sohnes in der Welt – auch in der Welt der grauen Tage und der trüben Nächte, auch in der Welt, in der wir leben und wie Simeon wohl auch noch sterben werden – … weil doch die Allgegenwart des im ersten Moment gerufenen Wortes, des gezeugten Lichtes, des Sohnes also so derart wirklich ist, dass es nichts gibt und niemanden gibt und nirgends etwas gibt, das nicht von diesem Licht belebt und gezeigt und umfasst und durchdrungen wäre (vgl. Joh.1,4f+9!).
Christus, das Licht ist überall.
Weihnachten – die Gegenwart des Lichtes noch in der stumpfen Schattenhaftigkeit, in der wir existieren und die Welt erleben – … Weihnachten, die Gegenwart des Lichtes also ist grenzenlos.
Und was immer sich auch verdunkelt, … was immer wir als düster erleben, … was immer sich unserm Blick und aller Klärung auch entziehen mag: Es ist doch nur durch das wahre Licht möglich und gegeben, dass wir es überhaupt erfahren und erleben.
Durch das wahre Licht, das macht, dass Finsternis leuchtet wie der Tag (vgl. Ps.139,12).
Durch das wahre Licht, das alle Völker erleuchtet und Israel in ihrer Mitte.
Durch das wahre Licht, das auch unsere Augen sehen dürfen, so dass wir leben mögen oder im Frieden sterben wie Simeon: Denn wir können nicht in der Finsternis wandeln.
Gott in Jesus, Jesus in Gott ist das Licht des Lebens. Das ewig ist.
… Wie Weihnachten.
… Und wie das Heil.
Amen.
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